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Neues Vom Räuber Hotzenplotz

Neues Vom Räuber Hotzenplotz

Titel: Neues Vom Räuber Hotzenplotz
Autoren: Otfried Preußler
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und faßte das Kissen mit der Kristallkugel vorsichtig an zwei Ecken, dann fragte sie:
    »Haben Sie eine Ahnung, wo Kasperl und Seppel jetzt ungefähr sein könnten?«
    Herr Dimpfelmoser warf einen Blick auf die Taschenuhr.
    »Zehn vor neun . . . Jetzt müßten sie unweit der Stelle sein, wo die Brücke über den Moosbach führt.«
    »Schön, das genügt mir – wir werden sie bald gefunden haben.«
    Mit spitzen Fingern drehte Frau Schlotterbeck Kissen und Kugel einige Male hin und her.
    »Das Einstellen dauert immer am längsten«, meinte sie. »Dafür geht es dann, wenn das Ziel gefunden ist, von allein weiter . . . Aber wer sagt's denn! Da haben wir ja die Moosbachbrücke – und wenn mich nicht alles täuscht, tauchen dort hinten im Wald schon Kasperl und Seppel auf.«
    »Wirklich?« fragte Herr Dimpfelmoser.
    Frau Schlotterbeck nickte und zog ihn am Ärmel zu sich heran.
    »Kommen Sie hierher, an meinen Platz. Es wird besser sein, wenn Sie die beiden von jetzt an selber beobachten. Aber nicht an den Tisch stoßen, sonst ist alles verpatzt!«
    Herr Dimpfelmoser gab höllisch acht. So behutsam wie diesmal hatte er sich sein Lebtag an keinen Tisch gesetzt.
    »Bravo!« sagte Frau Schlotterbeck. »Und nun blicken Sie fest in die Kugel – was sehen Sie?«
    Zunächst sah Herr Dimpfelmoser bloß einen bläulichen Schimmer in der Kristallkugel, doch allmählich begann sich ein Bild darin abzuzeichnen, das rasch immer klarer wurde – und richtig, nun konnte er Kasperl und Seppel erkennen, wie sie gerade über die Brücke gingen. Auch hörte er ihre Schritte, und wenn er die Ohren spitzte, verstand er sogar, was sie miteinander redeten.
    »Nun, wie finden Sie das, mein Bester?« fragte Frau Schlotterbeck. »Habe ich Ihnen zuviel versprochen?«
    Herr Dimpfelmoser war ehrlich begeistert.
    »Ich finde es großartig!« rief er. »Hotzenplotz würde vor Wut aus der Haut fahren, wenn er wüßte, daß Kasperl und Seppel durch Ihre Kristallkugel polizeilich beobachtet werden!«

Vorwärts  marsch!

    Seit die Brücke über den Moosbach hinter ihnen lag, hatten Kasperl und Seppel das Gefühl, als ob ihre Füße mit jedem Schritt ein halbes Pfund schwerer würden. Am liebsten waren sie jetzt noch umgekehrt.
    Um sich Mut zu machen, spielten sie Wörterverdrehen. Das war eines ihres Lieblingsspiele, Kasperl begann damit.
    »Hast du Angst vor dem Häuber Plotzenrotz?« fragte er.
    »Ich?« meinte Seppel und tippte sich an den Hut. »Der Kerl hat ja Stieselheine im Kirn!«
    »Oder Klaumenpfnödel!«
    »Fragt sich, was besser ist. Jedenfalls ist er ein alter Kummdopf!«
    »Ein Vindrieh, wie es im Stuch beht!«
    »Ein Krohstopf!«
    »Ein Aumenpflaugust!«
    Je länger sie das Spiel fortsetzten, und je mehr Schimpfnamen sie für Hotzenplotz fanden und aussprachen, desto leichter wurde ihnen ums Herz.
    Als sie beim Alten Steinkreuz ankamen, waren sie fast schon wieder ein bißchen übermütig.
    »Halt! Stehenbleiben!«
    Die Pfefferpistole im Anschlag, brach Hotzenplotz aus den Sträuchern hinter dem Steinkreuz hervor, diesmal wieder in seinem Räubergewand mit dem schwarzen Hut und der krummen Feder.
    »Seid ihr allein?«
    »Das sehen Sie ja«, sagte Kasperl; und Seppel beteuerte eifrig:
    »Hei Dringer aufs Ferz!«
    »Öha!« rief Hotzenplotz. »Machst du dich über mich lustig, Bürschlein? Was soll der Blödsinn?«
    »Oh –, Entschuldigung!« Seppel bekam einen roten Kopf. »Ich wollte natürlich sagen: Drei Finger aufs Herz – wir sind wirklich allein gekommen!«
    »Schön«, brummte Hotzenplotz. »Und das Geld?«
    »Das Geld ist hier drin«, sagte Kasperl und schepperte mit der Blechkanne. »Fünfhundertfünfundfünfzig Mark fünfundfünfzig in Münzen.«
    »Vorzählen!«
    »Wie Sie wünschen. Wir haben es zwar schon fünfmal gezählt – aber bitte sehr!«
    Seppel nahm den Hut vom Kopf, und Kasperl schüttete alles Geld hinein. Dann zählten sie Münze für Münze einzeln in die Kanne zurück. Hotzenplotz sah ihnen scharf auf die Finger und zählte mit, bis sie fertig waren.
    »Und nun«, sagte Kasperl, »nun geben Sie Großmutter bitte wieder heraus!«
    »Großmutter?« Hotzenplotz tat verwundert. »Wieso denn?«
    »Weil Sie uns das versprochen haben.« Kasperl zog aus der Hosentasche den Eilbrief hervor. »Hier haben wir's rot auf weiß!«
    »Daß ich Großmutter freilasse?« Hotzenplotz nahm ihm den Brief aus der Hand. »Ihr könnt wohl nicht richtig lesen, wie? Von Freilassen steht hier kein Wort! Ich habe euch nur versprochen,
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