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Neuanfang

Neuanfang

Titel: Neuanfang
Autoren: Karen Kingsbury
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sein Leben gekämpft hatte, hatte Jenny für ihn gebetet. Damals hatte sie sich gefragt, wie es wohl wäre, am Bett einer geliebten Person Wache zu halten, ohne zu wissen, ob sie jemals wieder aufwachen würde.
    Und jetzt waren sie selbst in dieser Situation.
    Sie hörte ein Geräusch hinter sich und drehte sich um.
    Bailey kam näher und stellte die Getränke auf dem erstbesten Tisch ab. „Irgendetwas Neues?“ Die Angst zeigte sich deutlich in ihrem Blick und ihrem Gesichtsausdruck.
    „Nichts. Papa ist noch drin.“
    Bailey ließ sich auf den Stuhl fallen, der am nächsten stand, und faltete ihre Hände. Sie starrte auf ihre Füße und ließ einen zitternden Seufzer hören. „Warum hat Cody das getan, Mama? Ich verstehe das nicht.“
    Das war der schwierigste Teil. Jenny und Jim waren fest davon überzeugt, dass es eine gute Sache war, in das Leben von Jugendlichen zu investieren – nicht allein in das Leben ihrer eigenen Kinder, sondern in das von Jugendlichen, die Gott ihnen anvertraute. Deshalb hatten sie drei Jungen aus Haiti adoptiert und aus demselben Grund hatten sie Cody in ihrem Haus willkommen geheißen. Die Situation mit Cody erinnerte Jenny daran, dass es einen auch etwas kostete, wenn man anderen Menschen half. Baileys Furcht und ihre tiefe Sorge waren ein Teil dieser Kosten.
    Aber sie alle würden aus diesen schmerzhaften Lektionen auch etwas lernen.
    Jenny setzte sich neben ihre Tochter. Sie legte ihre Hand auf Baileys Knie. „Wir haben mit dir doch über Cody gesprochen.“
    „Ich weiß, aber er ist doch lange genug bei uns gewesen.“ Sie lehnte sich zurück und starrte an die Decke. „Du hast ihm gesagt, dass er nicht mehr trinken darf, keinen einzigen Tropfen.“ Eine einzelne Träne lief über ihre Wange. Sie warf Jenny einen wütenden Blick zu. „Und dann bringt er Alkohol in unser Haus und trinkt eine ganze Flasche? Ich meine, wer macht denn so etwas?“
    Die Frage hing einen Moment lang zwischen ihnen. Dann, während ihre Hand immer noch auf Baileys Knie lag, sagte Jenny ihrer Tochter die Wahrheit. „Ein Alkoholiker.“ Sie legte ihren Arm um Baileys Schulter. „Wenn ein Mensch so trinkt wie Cody, gibt es keine andere Antwort.“
    Bailey richtete sich auf und starrte für ein paar Sekunden die gegenüberliegende Wand an. Ihre Zähne klapperten leise. Kaum vernehmlich, aber doch so, dass Jenny erkennen konnte, dass die Furcht ihrer Tochter immer größer wurde. „Also, …“ Sie holte tief Luft. „… also ist Cody ein Alkoholiker?“
    „Ja.“ Es war nicht nötig, die Tatsachen schönzureden. Nicht mehr. „Wir haben das immer schon befürchtet, aber nach diesem Vorfall wissen wir es nun.“
    Bailey lehnte ihren Kopf an Jennys Schulter. „Mein Biologielehrer sagte, dass Alkoholiker für immer abhängig bleiben.“
    „Das stimmt.“ Jenny rieb über die Arme ihrer Tochter, um das Zittern zu beruhigen. „Cody braucht eine Menge Hilfe.“
    „Ist das der Grund, warum ich mich nicht in ihn verlieben sollte?“
    „Liebling, es ist eine große Verantwortung, wenn man sich in jemanden verliebt, der ein Problem mit dem Trinken hat, der Alkoholiker ist.“ Jenny versuchte, ihre Ansichten vorsichtig zu formulieren. „Man kann Menschen helfen und sie können sich dann auch verändern, aber bei Alkoholabhängigen dauert es lange, bis man erkennt, wie ernst sie es wirklich meinen.“
    „Du meinst, ob sie tatsächlich mit dem Trinken aufhören wollen?“
    „Genau.“ Jenny ließ Baileys Schulter los und nahm sich ihren Kaffee vom Tisch. „Möchtest du etwas?“
    „Danke.“
    Sie gab Bailey ihre heiße Schokolade.
    Ein paar Minuten vergingen, während sie schweigend ihre Getränke genossen. Jenny liebte solche stillen, entspannten Momente wie diesen mit Bailey. Sogar jetzt, mitten in der Angst um Cody und der Auseinandersetzung mit seinem Alkoholproblem.
    Bailey ließ ihren Becher sinken. „Hat er versucht, sich umzubringen?“
    „Nein, das glaube ich nicht.“ Jenny spürte die Traurigkeit schwerer auf sich lasten als am ganzen bisherigen Vormittag. „Erinnerst du dich, wie wir uns an Thanksgiving beim Essen unterhalten haben? Jeder erzählte davon, wofür er dankbar ist.“
    „Hmmm.“ Wieder trat ein verträumter Ausdruck in Baileys Augen. Ihre Stimme klang leise bei der Erinnerung. „Cody war dankbar für unsere Familie und für die Zukunft, die er hat. Und vor allem für seine zweite Chance.“
    „Er war nicht selbstmordgefährdet. Cody Coleman ist ein offenes Buch. In den
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