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Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Titel: Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
Autoren: Hermann Bauer
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fürchte, dass sich nicht alle ihr Nicht Genügend ausbessern werden können.«
    »Korber!«
Marksteiner erhob seine Stimme für einen Augenblick zu einer für ihn ungewöhnlichen
Lautstärke, senkte sie aber sofort wieder. »Haben Sie vergessen, was wir in der
Eingangskonferenz besprochen haben? Wir müssen flexibler werden, was unsere Notengebung
angeht, und sämtliche vorhandenen Möglichkeiten ausschöpfen. Sie wissen, die Bildung
ist uns allen ein Anliegen. Die Noten sind es natürlich auch. Es geht schließlich
um die Behaltequote .«
    Natürlich,
die Behaltequote , das neue Lieblingswort von Direktor Marksteiner! Da hätte
Korber gleich draufkommen können, dass es ihm darum zu tun war. Ziel war demnach,
möglichst wenige Schüler durchfallen zu lassen. Dadurch würden diese in den Klassen
›behalten‹, es gäbe nur wenige Wiederholer oder gar Schulabbrecher, das Floridsdorfer
Gymnasium würde attraktiver, und die Arbeitsplätze der Lehrer wären gesichert.
    »Man muss
sich nicht durch Noten Autorität und Respekt verschaffen, das erkläre ich immer
wieder«, fuhr Marksteiner auch schon fort. »Oft wirken eine Ermahnung, ein Gespräch
mit den Eltern, ein gezielter Hinweis auf die Schwachstellen Wunder. Ein Schüler
der sechsten Klasse erkennt dann mit 16 Jahren schon, dass er in der siebenten mehr
leisten muss. Wir dürfen den entsprechenden Eifer und die nötigen Kenntnisse ja
durchaus verlangen, aber mit Fingerspitzengefühl, Korber, mit Fingerspitzengefühl!«
    Mit Fingerspitzengefühl!
Dabei stand die Zentralmatura ins Haus, die von oberster Stelle an allen höheren
Schulen gleich verordnete schriftliche Reifeprüfung unter absoluter Geheimhaltung
der Themen. Da war es dann nicht mehr möglich, dezente Hinweise auf mögliche Fragestellungen
zu geben oder beim Korrigieren das eine oder andere Auge zuzudrücken. Da mussten
die Kandidaten wirklich eine solide Grundausbildung besitzen. Also war es nur recht
und billig, im Vorfeld zu sondieren, wer bereit und in der Lage war, diesen Weg
gleich zu gehen, und wer noch ein wenig warten musste. Mit Marksteiners frommen
Worten kam man da nicht weit.
    »Herr Direktor
…«, versuchte Korber einen Einwand.
    »Lassen
Sie mich ausreden, Korber«, zeigte Marksteiner keinerlei Lust, unterbrochen zu werden.
»Wir tragen alle eine Verantwortung: den Schülern, den Eltern, aber vor allem unserer
Schule und unseren Kollegen gegenüber. Es gibt heute mehr Gymnasien und neue Mittelschulen
im Bezirk und im weiteren Umkreis, als uns lieb sein kann. Die Schüler können aufgrund
der guten Verkehrsverbindungen nach Belieben ausweichen. Es spricht sich sehr schnell
herum, wenn bei uns viele Schüler wiederholen müssen, schon gar, wenn das Fach Deutsch
davon betroffen ist. Darum sage ich noch einmal: Die Behaltequote ist entscheidend.
Wir wollen keine Schüler und damit auch Lehrerposten unnötig verlieren. Motivation
statt Notendruck lautet das Zauberwort. Sie arbeiten doch weiß Gott schon lange
genug in diesem Beruf, um mich zu verstehen, Korber. Und habe ich mich Ihnen gegenüber
nicht immer fair verhalten?«
    Dieser kleine,
beinahe erpresserische Wink hatte gerade noch gefehlt. Aber er hatte ja kommen müssen.
Korber hatte im Zuge seines Hangs zu komplizierten Liaisonen mit dem anderen Geschlecht
auch einmal ein Pantscherl mit einer seiner Schülerinnen gehabt. Marksteiner hatte
die Sache damals auf sehr gütige Art geregelt. Jetzt nahm er Korber mit dieser Anspielung
den letzten Wind aus den Segeln. »Ja, Herr Direktor, das werde ich auch immer respektieren«,
musste Korber kleinlaut zugeben.
    »Na also!
Ich nehme an, dass Ihnen etwas einfallen wird, um in der 6B eine größere Katastrophe
in Deutsch zu verhindern«, zeigte Marksteiner sich zufrieden. Im Grunde genommen
mochte er Korber und er war auch kein Freund strenger Maßnahmen seinen Lehrern gegenüber.
Aber er war immer noch der Meinung, dass an einer Schule, die er leitete, seine
pädagogische Meinung vorzuherrschen habe, und die größte Freude bereitete es ihm,
seinen Lehrkörper in solchen Gesprächen davon zu überzeugen.
    »Sagen Sie,
Korber, Sie stehen ja schon voll in den Proben für das diesjährige Theaterstück«,
wechselte Marksteiner das Thema. »Wie geht die Sache denn voran?«
    »Danke,
gut«, antwortete Korber. Er wirkte nun bereits das dritte Mal beim ›Hochlöblichen
Floridsdorfer Welttheater‹ mit, einer Gruppe von Amateurschauspielern, die vor einigen
Jahren von einem gewissen Freddie Glomser
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