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Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)

Titel: Nestroy-Jux: Ein Wiener Kaffeehauskrimi (German Edition)
Autoren: Hermann Bauer
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»Wir
sind zwar ein altehrwürdiges Kaffeehaus, aber wir müssen mit der Zeit gehen. Von
unserem Stammpublikum im gesetzten Alter alleine können wir nicht leben. Wir müssen
neue Zielgruppen ansprechen, damit wir die Zukunft meistern!«
    Leopolds
Blick schweifte durch das Café Heller, durch die ihm vertraute und die Jahre hindurch
so lieb gewonnene Ordnung. Blind konnte er hier hindurch gehen und würde nirgendwo
anstreifen. Alles hatte seinen festgefügten Platz zugeteilt bekommen, den es in
guten wie auch in schlechten Zeiten behauptet hatte: die Kartentische mit ihrer
Auflage aus grünem Filz, die Billardtische, die runden Marmortischchen, die gepolsterten
Bänke und Sessel, das Kästchen, auf dem täglich fein säuberlich in ihre Rahmen eingespannt
die neuesten Zeitungen lagen und der Schrank mit seiner ganz persönlichen Lade,
in der er seit jeher alles aufbewahrte, was ihm wichtig erschien. Hier sollte etwas
verändert werden? Und ihn schaffte man bei dieser Gelegenheit mit der fadenscheinigen
Begründung aus dem Haus, dass man jetzt zusperren musste und er seinen wohlverdienten
Urlaub antreten konnte?
    »Schlagen
Sie sich das aus dem Kopf, Frau Chefin«, sagte er deshalb mit ungewohnter Schärfe.
    Frau Heller
stutzte. »Sie wollen mir Befehle erteilen, Leopold?«, gab sie ebenso scharf zurück,
obgleich sie die Unbeherrschtheit ihres Oberkellners in Wirklichkeit amüsierte.
    »Nein, Frau
Chefin, natürlich nicht«, zog Leopold die Notbremse. »Es gibt nur gewisse Konstellationen,
unter denen man ein solches Unterfangen auf keinen Fall durchziehen sollte.«
    »Meinen
Sie etwa die Mondphasen? Da droht keine Gefahr, da kenn ich mich aus. Ich nenne
sogar einen Mondkalender mein Eigen.«
    »Der Mond
ist das geringere Übel. Der ist der Erde zwar relativ nahe, bleibt jedoch immer
im gleichen Abstand zu ihr. Aber sonst schwirren im Weltall Kometen und Sterne herum,
von denen Sie überhaupt keine Ahnung haben. Einer davon wird demnächst in unsere
Erde krachen, und dann ist es finster.«
    »Jetzt verzapfen
Sie aber einen gewaltigen Unsinn, Leopold. Wer redet Ihnen denn so etwas ein?« erwiderte
Frau Heller verständnislos. In ihrem Kopf lief bereits detailgenau jener Plan ab,
der zu einer glorreichen Wiederauferstehung des Café Heller führen sollte.
    »Mir braucht
niemand etwas einzureden. Das pfeifen ja die Spatzen von den Dächern. Werfen Sie
Ihren Mondkalender weg und legen Sie sich einen Maya-Kalender zu, da drinnen steht
alles genau verzeichnet«, klärte Leopold seine Chefin auf. »Heuer am 21. Dezember
ist es soweit. Der Maya-Kalender hört auf, und unsere Welt auch. Weihnachten fällt
diesmal leider flach. Ich würde also kein Geld in die Renovierung eines Lokals investieren,
das in ein paar Wochen aussehen wird wie ein Bombentrichter. Wenn Sie die Marie
schon anbringen wollen, dann machen Sie noch schnell eine Weltreise oder spenden
Sie es für die Armen, damit die ein paar schöne letzte Tage haben.«
    Frau Heller
sah Leopold entgeistert an. »Tut Ihnen die Hitze vielleicht nicht gut?«, fragte
sie vorsichtig.
    »Nein, nein,
der Leopold hat schon recht«, meldete sich da noch einmal Herr Otto von der Theke.
»Der Weltuntergang steht unmittelbar bevor.«

3
     
    »Für die ganze Zukunft will
ich mir die leeren Wände meines Herzens mit Bildern der Erinnerung schmücken – ich
mach mir einen Jux!« (Nestroy: Einen Jux will er sich machen)
     
    Fritz Stössl sah sich um, ob vor
der Theaterprobe auch alle Requisiten auf ihrem Platz waren. Er tat dies mit äußerster
Sorgfalt und peinlichster Genauigkeit, denn er erachtete es als seine wichtigste
Aufgabe, weitaus bedeutungsvoller als seine eigentliche Tätigkeit als Schulwart
des Floridsdorfer Gymnasiums. Seit dem Zeitpunkt, als man ihn für das Auf- und Absperren
und das Überwachen des Proberaumes in der Schule auserwählt hatte, war er mit solcher
Begeisterung dabei, dass er dieses Jahr sogar erstmals beim ›Hochlöblichen Floridsdorfer
Welttheater‹ mitspielen durfte – in einer kleinen Rolle zwar nur, doch das war ihm
egal. Dabei sein und Theaterluft schnuppern dürfen, was wollte man mehr?
    Doch wurde
er beim Memorieren seines Textes wieder von seiner alten Nervosität befallen. Er
hatte Angst, nicht mit den anderen mithalten zu können. Es waren nur wenige Worte,
die er als Schneidermeister Hupfer zu Anfang des Stückes mit dem Gewürzkramer Zangler
anlässlich der Anprobe von dessen neuer Schützenuniform wechseln sollte, doch auch
diese mussten
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