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Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste

Titel: Nesthäkchen 08 - Nesthäkchens Jüngste
Autoren: Else Ury
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das Wasser kocht.
    »Französischen und portugiesischen Sprachunterricht soll sie nehmen und ihre Gesangstunden bei Professor Lange soll sie bis zuletzt beibehalten, hat Milton gebeten. Als ob ein Mensch davon satt werden kann. Ich habe genug Lehrgeld in meiner eigenen Ehe zahlen müssen, obwohl ich bei Hanne regelrecht kochen gelernt habe«, ereiferte sich Frau Annemarie.
    »Wer A gesagt hat, muß auch B sagen. Wenn du dein Kind einem Kaffeeprinzen nach Brasilien gibst, muß es sich den Gepflogenheiten der Familie und des Landes anpassen.« »Wenn sie sich nur wohlfühlt bei solchem Faulenzerleben, unser Urselchen«, sorgte sich die Mutter.
    »Das hätt'st dir halt vorher überlegen müssen, Weible, als du mich rumgekriegt hast für Brasilien. Jetzt gibt's nur noch ein Vorwärts, nimmer ein Rückwärts«, war des Professors ernste Antwort.
    Ursel selbst fand es ganz herrlich, von Milton verwöhnt und verhätschelt zu werden, sich nicht mit Mehlschwitzen und Puddings abquälen zu müssen. Sie trieb fleißig ihre Sprachstudien, denn sie mochte den neuen Verwandten und den Freunden des Tavareschen Hauses nicht wie ein Gänschen erscheinen. Auch hatte sie ja bei Marga gesehen, wie vereinsamt diese sich in Deutschland gefühlt hatte, bis sie die Sprache einigermaßen beherrschte. All ihre Energie bot Ursel auf, um ihr Ziel zu erreichen. Und wenn Milton sie dankbar in die Arme schloß, sobald sie ihn mit einer neugelernten portugiesischen Wendung begrüßte, war ihr das immer wieder ein Ansporn zu neuem Eifer.
    So unlustig sie in der Schule Französisch getrieben hatte, so zielbewußt lernte sie jetzt. Auch für ihre Gesangstunden, die sie nach wie vor bei Professor Lange nahm, arbeitete sie mit aller Energie. Soviel wie irgend möglich wollte sie in der kurzen Zeit noch von dem fördernden Unterricht Nutzen haben. War der alte Professor doch geradezu betrübt gewesen, daß solch eine wertvolle Stimme ihm genommen wurde, noch ehe er sie in die Form höchster Kunstvollendung gezwungen hatte.
    »Kleinchen, Sie sind ein aufgehender Stern am Musikhimmel. Sind Sie sich denn auch klar darüber, daß Sie Ihrem Zukünftigen nicht nur Ihre Heimat opfern wollen, sondern vor allem Ihre Kunst? Das Höchste, was nur begnadeten Sonntagskindern beschieden ist. Das alles wollen Sie verkümmern lassen?« Der alte Herr schüttelte unzufrieden das weiße Haupt.
    »Herr Professor, Sie stellen sich Sao Paulo, meine zukünftige Heimat, nicht ganz richtig vor«, wandte Ursel belustigt ein. »Sao Paulo ist eine durchaus kultivierte, vollständig nach europäischem Muster eingerichtete Kolonie. Es wird dort viel und gute Musik gemacht. Ich werde weiter fleißig studieren.«
    »Ach, wer weiß, was für einem Stümper Sie da als Schülerin in die Hände fallen, der Ihnen Ihre Stimme verhunzt.«
    Ursel ließ den alten Professor knurren und brummen, fühlte sie daraus doch nur sein Interesse und sein Bedauern über ihr Fortgehen.
    In der Hochschule hatte man fast kopfgestanden, als man erfuhr, daß das Hartensteinchen auswandern wollte. »Sie sind ja schön dumm, Hartensteinchen, wo Sie bereits auf bestem Wege sind, Karriere zu machen. Warten Sie doch noch zwei, drei Jahre, dann können Sie als europäischer 'Star' ja gleich eine Tournee nach Amerika machen.« So hatten die Hochschüler sich geäußert. Aber so lange wollten weder Ursel noch Milton Tavares warten. Die Tage jagten sich förmlich. Einer fraß den andern auf. Kaum war es Montag, so war auch die Woche schon wieder um. Es war gut, daß Ursel durch die Sprachstunden und durch ihre Musik so stark in Anspruch genommen wurde. Da hatte sie keine Zeit daran zu denken, daß bereits die Februarsonne durch die Fenster in ihr Mädchenzimmer schaute. Frau Annemarie dachte um so mehr daran. Als sie die ersten Schneeglöckchen im Gartenwinkel pflückte, die sie sonst stets als vorzeitige Lenzboten freudig begrüßt hatte, betaute sie sie in diesem Jahre mit ihren Tränen. Nun war es soweit. Ja, nun galt es, sich für die Vorbereitungen zur Hochzeit zu tummeln; denn wenn sie auch nur im Familienkreis daheim im Lichterfelder Professorenhaus begangen wurde, an der Waterkant ließ man es sich nicht nehmen, vollzählig zu Ursels Ehrentag zu erscheinen. Auch die Freundinnen Edith und Ruth mußten dabeisein. Ein Vorfrühlingstag war es, einer von den ersten, Erdgeruch und neues Werden in sich tragend, als Frau Annemarie ihrem Nesthäkchen das Myrtengrün in das Blondhaar drückte. Allererstes Frühlingsahnen
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