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Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken

Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken

Titel: Nesthäkchen 07 - Nesthäkchen und ihre Küken
Autoren: Else Ury
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»Ja, das kann solch ein Stadtdämchen nicht begreifen«, meinte der alte Herr Frenssen oder vielmehr Onkel Heinrich, wie er genannt sein wollte, lächelnd. Es war ganz harmlos und freundlich gesagt, und doch errötete Marlene. Sie wußte ganz genau, was Peter jetzt dachte - ob sich solch ein Fräulein Doktor am Ende wohl doch nicht zur Landfrau eigne.
    »Mining soll gleich noch einen Topf Kleie für die Rike kochen. Ich werd' heut nicht schlafen, sondern es ihr selbst nachher bringen, daß die Kleie auch lauwarm ist«, sagte Tante Kätchen nach Tisch.
    »O Tante Kätchen, Sie brauchen doch Ihr Nachmittagsschläfchen nicht wegen des kranken Schweines zu opfern. Es wird der Rike gewiß ebenso schmecken, wenn ich ihr das Diner serviere«, sagte Marlene schnell in dem Bestreben, ihren Fehler von vorhin wieder gutzumachen.
    »Sie, Marlenchen? Sie passen in den Schweinekofen wie die Auster in die Buttermilch«, amüsierte sich Tante Kätchen.
    »Du als Schweinekellnerin, Marlenchen? Das Bild muß ich unbedingt für deine Klasse knipsen«, neckte auch Ilse.
    »Geben Sie nur acht, Marlene, daß die Rike Sie nicht selber auffrißt statt der Kleie.« Elli erregte mit ihrem Witz die größte Heiterkeit. Nur der Herr des Hauses stimmte nicht mit ein.
    »Wenn Marlene so liebenswürdig sein will, der Mutter die Arbeit abzunehmen, so kann ich durchaus nichts Komisches daran finden«, sagte er vorwurfsvoll. »Peterlein, leg dich schlafen, du bist schlechter Laune, weil dein Herzensschatz, die Rike, krank ist.« Jetzt richtete sich Ellis Spott gegen den Bruder. Nichtsdestoweniger sah man eine Stunde später Marlene und die Magd, letztere einen Holzeimer mit Kleie in der Hand, über das Viereck des Wirtschaftshofes wandern. Es war Marlene eine ungeheure Beruhigung, daß Mining mitkam. Denn trotz ihrer zoologischen Studien legten sich Marlene das Halbdunkel und die abscheuliche Luft im Schweinestall beklemmend auf die Brust.
    Mining goß ihren Eimer in den Schweinetrog, gab dem kranken Schwein einen aufmunternden Stoß und sagte: »So, Rike, nu fret man, ick möt wedder mang min Upwasch.« Damit stampfte sie hinaus.
    Marlene wäre ihr am liebsten gefolgt. Aber zuverlässig, wie sie war, hielt sie sich verpflichtet, da sie Tante Kätchen versprochen hatte, sie zu vertreten, der Rike bei ihrem Diner Gesellschaft zu leisten. Aus kleinen Augen blinzelte das kranke Tier grunzend zu ihr auf, und ihre sämtlichen Kinder grunzten im Chor mit. Jetzt hob es prüfend den Rüssel gegen Marlene ... angstvoll schaute Marlenchen zur Stalltür. Da stand lachend der Gutsherr.
    »Keine Angst, Fräulein Marlene, die Rike tut nichts. Scheint ja wieder ganz mobil zu sein.« Sachkundig schaute er zu, wie das Tier fraß.
    Marlene wurde es schwül in dem dämmerigen Schweinestalldunst; sie versuchte, an ihm vorbei den Ausgang zu gewinnen. Aber er vertrat ihr den Weg. »Marlene, wenn ich Sie hier so sehe.« Er machte schon wieder eine Pause. Was denn? dachte Marlene. Wenn er mich hier so unter den Schweinen sieht, begeistere ich ihn etwa da besonders?
    »Ich meine, so geschäftig bei ländlicher Arbeit, Marlene, ja, dann ... dann finde ich den Mut, den ich sonst niemals aufbringe, Sie zu fragen, ob ich nicht zu schlicht, zu gering bin für ein gelehrtes Fräulein Doktor. Ob es nicht eine Anmaßung von mir ist, Ihr Leben, das so ganz andere Bahnen geht, an meine bescheidene Einsamkeit fesseln zu wollen?« Er sagte nicht, wie lieb er sie habe. Aber seine Augen taten es für seinen unberedten Mund.
    »Ich bin kein gelehrtes Fräulein Doktor, nur ein Mädchen, das Ihnen gut ...« Das Gegrunze der Schweinefamilie übertönte Marlenes leise Worte. Aber sie mußten wohl ihr Ziel erreicht haben. Denn sie fühlte sich plötzlich von starken Armen umfangen, und es war ihr, als sei das Schweinegrunzen Meeresrauschen und die gräßliche Stalluft frischer Seewind.
    Zwischen dem Schweinegrunzen aber hörte man leises Kichern: Amor, der lose Wicht, der das poetische Marlenchen statt am blauen Meeresgestade im Schweinekofen die weihevollste Stunde ihres Lebens begehen ließ.
    Ilse saß in der Geißblattlaube und schrieb nach Hause. Sie war nicht recht in Stimmung. Das Intermezzo mit Klaus ging ihr arg nah.
    Da fiel ein Schatten auf das Papier. Marlene stand vor ihr mit heißen Wangen und glänzenden Augen.
    »Nanu, Marlenchen, du siehst ja so strahlend aus, ist Rike wieder gesund?«
    Statt einer Antwort fiel Marlene, die ruhige, gesetzte, der Kusine um den Hals und
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