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Nero

Nero

Titel: Nero
Autoren: Ernst Eckstein
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überflüssig, daß ich's erwähnte. Im Laufe der Zeit wird sich das alles von selber ausgleichen.«
    »Aber du siehst doch,« versetzte sie lebhaft, »wie frei ich von allem persönlichen Ehrgeize bin! Würde ich sonst so eifrig deine Vermählung betreiben? Diese Ehe wird meinen Einfluß naturgemäß abschwächen. Ist Octavia erst Kaiserin, so fällt ihr eine bedeutsame Rolle zu, eine Rolle . . .«
    »Das kann ich mir vorstellen,« spottete Nero. »Sie wird mit den Augen des Argus darüber wachen, daß nie und nirgends eine Zeremonie versäumt wird, und wäre sie für mein Gefühl die absurdeste. Sie wird verlangen, daß ich allmorgendlich zum vergötterten Romulus bete; daß ich ein Amulett um den Hals hänge mit dem Bildnis der Wölfin und der hungrigen Zwillinge; daß ich ihr glauben helfe, wenn sie in jedem Ereignis den unmittelbaren Einfluß Jupiters und seiner zärtlichen Juno gewahrt.«
    »Und wenn sie das thäte, was wäre dir Schlimmes dabei?«
    »Schlimmes?« wiederholte der Kaiser. »Nun, ich weiß nicht, wie du über die Göttergeschichte unsrer Vorfahren denkst. Du hast mir niemals davon gesprochen, selbst da ich noch Knabe war. So vermute ich fast, wir denken das nämliche.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich glaube nicht an die Fabeln des Pöbels.«
    »So? Und was glaubst du denn?«
    »Kann ich das gleich so in Worte fassen? Ich glaube mit Seneca an das Vorhandensein einer gewaltigen Urkraft, eines verborgenen Geistes, der alles umspannt und alles mit seinem Odem durchsättigt. Diese Urkraft lebt auch in uns; ihr Wollen ist unser Wollen, ihr Fühlen ist unser Fühlen! Die Götter aber, wie sie der Pöbel verehrt, halt' ich für Märchengestalten, gerade gut genug, um als letzter Kitt für die zerbröckelnde Tugend unsrer Gesellschaft zu dienen.«
    Agrippina schwieg lange.
    »Weißt du, mein Sohn,« sagte sie endlich, »daß du dich auf dem besten Wege befindest, ein Staatsverbrecher zu werden, – ganz nach der Weise des kaum begnadigten Artemidorus?«
    Nero lächelte.
    »Du unterschätzest meine Gewandtheit. Ich weiß den Kaiser von dem Privatmann zu trennen. Vor dem Senat zum Beispiel werd' ich mich hüten, die philosophischen Ueberzeugungen, die ich im Busen trage, leichtsinnig preiszugeben. Ich werde dort ebensogut von der allgeliebten Minerva reden, wie der Dümmste unter den Dummen. Aber das hindert doch nicht, daß ich es langweilig finde, wenn ich daheim, als Gatte, nicht einmal ausruhen soll von dieser unbequemen Komödie, wenn ich sogar im Schlafgemach eine Priesterin finde, die an den Stier der Europa glaubt! Ein prächtiger Gott, dieser hellenisch-römische Zeus, der mit der Tochter des Königs Agenor über das Meer schwimmt, um auf den Matten von Kreta den Minos und Radamanthos zu zeugen!«
    Agrippina zuckte die Achseln.
    »An Jupiter als an den Lenker des Weltalls glauben, und diese Schwänke der griechischen Volkspoeten für bare Münze nehmen, ist zweierlei.«
    »Der Wahrhaft-Gläubige glaubt auch die Schwänke,« erwiderte Nero. »Wäre das nicht der Fall, so müßte er doch in der bildlichen Darstellung solcher Narrenspossen eine Lästerung erblicken.«
    »Ich fürchte, du redest dir da mancherlei ein,« sagte die Kaiserin. »Uebrigens danke ich dir für dein offenes Bekenntnis. Ach, und was soll ich's leugnen: ich sehe, du bist der Sohn deiner Mutter. Ganz richtig hast du vermutet, daß die Götter auch mir vollständig fremd sind. Ich glaube nichts als das Fatum, die Moira, die uns die Wege des Lebens vorzeichnet von Anbeginn bis zum Ende. Dennoch – ich glaube auch an die Kraft der Bevorzugten, diese Wege mit Blumen zu schmücken, wo der Alltagsmensch nur in klägliche Dornen tritt. Ich glaube an die Fähigkeit des Genies, dort und da der Moira eine Vergünstigung abzutrotzen. Hierzu ist Klarheit erforderlich, Ruhe, die alle Vorteile ausnützt, Standhaftigkeit in der Verfolgung der Ziele. Deine Gemütsart kennt diese Tugenden nur als Keime: Octavia wird sie leicht zur Entfaltung bringen.«
    »Octavia, die stille Octavia?«
    »Sie ist nur still, so lange sie dich in der Nähe weiß. Ein Mädchen auch von geringerem Feingefühl würde herausmerken, daß du ihre Empfindung nicht teilst. Sie liebt dich von ganzer Seele: du aber, so freundlich du ihr begegnest, hast noch nie einen Ton gefunden, der wie Neigung geklungen hätte. Das, mein Sohn, macht sie befangen; das drückt sie beinah zu Boden. Scheute sie nicht das peinvolle Aussehen, hoffte sie nicht, daß es ihr dennoch vielleicht
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