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Nero

Nero

Titel: Nero
Autoren: Ernst Eckstein
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liebenswürdigsten Mädchen der Hauptstadt die Hand zu reichen!«
    »Für andre vielleicht ein unermeßliches Glück,« sagte der Kaiser gemessen. »Ich bestreite nicht ihren Wert, aber mir fehlt das Verständnis dafür. Octavia ist zu vollkommen für mich.«
    »Stehst du schon jetzt auf diesem bedenklichen Standpunkt? Ein Blumenmädchen vom Argiletum oder ein schmetterlingshaftes Geschöpf, wie die Kitharaspielerin Chloris, die ihr neulich so überschwenglich gepriesen habt: – das wäre dir wohl erwünschter? Kleine Flecken reizen euch ja, wie schon Ennius behauptet.«
    »Streiten wir nicht, teure Mutter! Ich werde Octavia heiraten; ich werde sie achten und ihrer Stellung gemäß behandeln. Aber daß ich sie lieben soll, das kann mir selbst ein unsterblicher Gott nicht aufzwingen. Eros naht sich uns nicht auf Befehl: er kommt ungerufen, und manchmal gerade da um so stürmischer, wo die Vernunft ihn verbannen möchte. Vor seinen Augen gilt keine Tugend und kein Verdienst. Oft hat eine Sklavin größere Leidenschaften erweckt als fürstliche Jungfrauen, und – so versichert mich Seneca – das höhere Recht ist dann allemal auf seiten der Sklavin.«
    »Thorheit!«
    »
Keine
Thorheit, dafern du erlaubst! Die Sklavin stellt in diesem Falle den Ausdruck des Naturwillens dar, – und die Natur ist wahrer und echter als die menschlichen Satzungen.«
    »Also auch hierin unterrichtet dich Seneca?« fragte Agrippina mit verdrießlichem Lachen. »Vortrefflich! Wie es den Anschein hat, besiegt er mit seiner glänzenden Theorie meine Praxis.«
    »Du thust ihm unrecht. Solche und andre Betrachtungen knüpft er gelegentlich an die Erklärung einer Tragödie. Ueber Octavia hat er niemals gesprochen. Im Ernste, Mutter: Du hast auch nicht den leisesten Grund zur Verstimmung. Mein Herz ist frei. Dank den Lehren meines vortrefflichen Meisters hab' ich entsagen gelernt. Das Getändel der Freunde war mir von jeher nur ein Gegenstand der Beobachtung. Ich habe niemals geliebt; ja ich zweifle, ob ich dieser Empfindung überhaupt fähig bin. Trotzdem, ich wiederhole dir's, werde ich unsrer Octavia mit aller Zartheit begegnen, die sie als Gattin des Imperators beanspruchen kann. Bist du zufrieden, Mutter?«
    »Nicht ganz. Diese blutlose Gleichgültigkeit macht mich bekümmert. Octavia ist wie geschaffen für dich. Ihr klarer, unbestechlicher Blick wird dem Schwärmer zu gute kommen, der tagtäglich Gefahr läuft, sich in philosophischer Träumerei zu verlieren oder im Strudel künstlerischer Phantasmen. Du kennst meine Ansicht. Die Stoa ist eine tüchtige Schule, aber sie darf unsre Kräfte nicht lahmlegen. Die Kunst hat ihre bestrickenden Reize, aber der Cäsar darf nicht zum Künstler werden. Denke, aber vergiß nicht das Leben! Baue Theater, beschütze die Modedichter, wirf dein Gold wie Gerste unter die Sänger und Flötenbläser: aber dichte und deklamiere nicht selbst! Singe nicht wie ein schmachtendes Mägdlein! Ueberlaß die Kithara den Kitharöden! Die Hand, die das Scepter führt, ist nicht geschaffen für das elfenbeinerne Leierstäbchen. Das ist mein Begriff von der Sache, – und Octavia wird just in dem gleichen Sinn auf dich einwirken.«
    Nero lächelte.
    »Du erinnerst mich wieder ganz an die Zeit, da du mich unsanft beim Ohre nahmst, wenn ich in der Subura mit den Söhnen der Bäcker und Garköche allerlei Tollheiten aufgeführt hatte.«
    »Willst du mir's etwa verwehren, den Sohn, den ich erzogen habe, zu tadeln?« fragte Agrippina gereizt. »Wem verdankst du denn, was du bist? Mit dieser welterschütternden Faust hab' ich dich auf den Thron gesetzt. Solang du dies anerkennst, wird dein Genius über dir wachen. Lehnst du dich auf, – wohl, so zweifle ich, ob du die Kraft besitzest, auf so schwindelnder Höhe dich festzuhalten.«
    »Du erregst dich ganz ohne Ursache. Auflehnen? Du allein hast dieses abscheuliche Wort gebraucht. Ich weiß zur Genüge, daß es keinen – selbst nicht den Cäsar – entehrt, den Ratschlägen seiner Mutter zu folgen. Eins nur sähe ich gern – da wir denn doch einmal von der Sache jetzt reden –: wenn du die Form dieser Ratschläge etwas mildern und mäßigen wolltest. Du selber kannst doch nicht wollen, daß jemand das Recht hätte, über die allzu kindliche Pietät des Nero zu lächeln.«
    »Ich wüßte nicht, inwiefern du Veranlassung hättest . . .« grollte die Kaiserin.
    »Doch, doch, Mutter! Aber ich sehe, du nimmst die Sache zu schwer. Brechen wir ab! Es war vielleicht
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