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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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unwillkürlich in die Taschen, aber natürlich hatte er keine Tüte dabei.
    Er sah sich um. Eine Tüte. Wie sollte er so schnell an eine Tüte kommen?
    Dann sah er den Punker mit den Pommes rot-weiß. Die Tüte war noch ganz voll.
    Mit zwei Schritten war Leon bei ihm. »Ich brauch die Tüte!«
    »Äi, spinnst du, Alter?«
    »Gib mir die Tüte!«
    »Das sind meine Pommes. Kauf dir doch selber welche!«
    Dies war nicht die Zeit für lange Diskussionen.
    Pit rief: »Mach schnell, Mensch!«
    Leon riss dem Punker die Pommestüte aus der Hand, ließ die heißen Kartoffelstäbchen auf den Boden fallen, und schon war er bei Pit und Johanna.
    Die angetrunkenen Männer aus der Achterbahn standen in zwei Meter Abstand herum und glotzten. Einer von ihnen drehte sich um und fragte: »Ist das hier ›Vorsicht Kamera‹ oder was?«
    Zu ihnen gesellten sich jetzt immer mehr Schaulustige, als sei das hier eine Touristenattraktion und kein Notfall.
    Pit drückte die Pommestüte so über Nase und Mund von Johanna, dass sie in die Tüte hineinatmen musste. Dabei kleckerte er Mayonnaise und Ketchup auf ihre Augenbrauen, ihre Ohren und Haare.
    Der Punker stieß Leon an. »Äi, was habt ihr denn geraucht?«
    Leon wimmelte ihn ab: »Ich kauf dir gleich ’ne neue Tüte Pommes.«
    Er bewunderte Pit Seidel für sein umsichtiges Handeln, konnte sich aber noch nicht genau vorstellen, dass das, was Pit da gerade tat, wirklich sinnvoll war.
    Im Rhythmus von Johannas Atmung blähte sich die Pommestüte auf und zog sich wieder zusammen.
    »Solange sie in die Tüte atmet, wird ihr kein neuer Sauerstoff zugeführt«, erklärte Pit. »Stattdessen atmet sie Kohlendioxid ein. So wird die Konzentration im Blut wieder erhöht, und dann verlangsamt die Atmung sich, und gleich ist alles wieder gut. – Du machst das ganz prima, Johanna. Wir haben es gleich geschafft.«
    Leon war hin- und hergerissen, ob er Pits Art zu sprechen total emotionslos und nervig fand oder absolut richtig. Pit spielte alles runter, blieb auf einer sachlichen Erklärungsebene und nahm damit den Dampf aus allem, was vielleicht richtig war. Gleichzeitig fragte sich Leon, ob er nicht vielleicht selbst so eine Ausbildung beim DRK machen sollte. Was nutzt es mir, dass ich auf dem Gymnasium in Mathe, Algebra, Physik und Chemie den kleinen Albert Einstein gegeben habe und überall glatt Eins stand, wenn ich in so einer Situation völlig hilflos bin? Beim Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein hat man uns so etwas nicht beigebracht.
    Volker Krüger tauchte plötzlich aus dem Nichts auf und schob sich zwischen Johanna und Leon. Er rülpste seinen Bieratem in Leons Gesicht und sagte: »Ja, da kann man mal sehen, was Drogen aus einem Menschen machen. Man muss damit umgehen können, sag ich doch immer.«
    »Hau ab!«, zischte Leon und schob ihn zur Seite.
    Es schien Johanna wirklich zu helfen, in die Tüte hineinzuatmen. Der Krampf in ihren Fingern ließ nach. Sie stützte sich auf dem Boden ab und richtete den Oberkörper auf. Sie sagte etwas, aber durch die Tüte verstanden die anderen sie nicht.
    »Wir haben dich aus der Gondel gehoben. Du bist da drin ohnmächtig geworden.«
    »Die wurde nicht ohnmächtig, die hatte einen Anfall, du Arsch!«
    »Die hat mir ins Gesicht getreten!«
    »Ja, ihr seid Helden!«, giftete Leon. »Aber jetzt haltet die Fresse und verzischt euch, Cowboys.«
    Sie kicherten.
    Johanna befreite sich jetzt von der Pommestüte und wischte sich mit beiden Händen durchs Gesicht. Dabei verschmierte sie Ketchup und Mayonnaise noch mehr. Es sah aber nicht lustig aus, sondern auf eine groteske Weise erschreckend.
    Jemand lachte und sagte, die Kleine sei zum Anbeißen. Leon nahm sich nicht die Zeit nachzuschauen, wer das war, obwohl er große Lust hatte, demjenigen eine reinzuhauen.
    Pit legte eine flache Hand kurz unter Johannas Hals auf ihre Brust und sagte: »Tief in den Bauch atmen, Johanna. Tief in den Bauch. Nicht in den Brustkorb. Hast du mich verstanden?«
    Mit weitaufgerissenen Augen starrte sie ihn an und nickte.
    Irgendjemand hatte offensichtlich einen Sanitäter gerufen, denn kaum stand Johanna, von Pit und Leon gestützt, wieder auf den Beinen, war er da. Er war knapp fünfundzwanzig und trug einen Schnurrbart, der an Salvador Dalí erinnerte oder den Koch Horst Lichter, und er hatte auch ähnliche Kulleraugen.
    »Hatten Sie einen epileptischen Anfall?«, fragte er und zeigte auf Johanna.
    Volker Krüger mantelte sich auf. Er drückte seine Brust raus, schob sein
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