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Neongrüne Angst (German Edition)

Neongrüne Angst (German Edition)

Titel: Neongrüne Angst (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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verkauft und auch an einen Lehrer, so zumindest ging das Gerücht.
    Sie glaubte, er sei in einer Art Erziehungsanstalt, einem Jugendknast gelandet, doch jetzt stand er vor ihr. Er, der sie als einziger Mensch immer Josy nannte, als sei er zu blöd, sich ihren richtigen Namen zu merken.
    Seine Augen glänzten fiebrig. Er sah aus, als wäre er voll auf Tilidin, und er roch auch nach Bier. Seine Gesichtshaut war ungesund stumpf und gerötet. Sie hätte aber nicht sagen können, ob er zu viel Sonne abbekommen hatte oder ob sein Blutdruck verrückt spielte.
    Er tänzelte nervös vor ihr herum wie ein Boxer, der in Bewegung bleibt, um der nächsten Attacke ausweichen zu können.
    »Hast du einen durchgezogen oder was?«, fragte er lachend.
    Sie antwortete nicht. Sie hatte noch Probleme, ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen.
    Ist er der Verehrer? Volker Krüger?
    Er hatte eine niedrige Frustrationsschwelle. Wenn es auf oder vor dem Schulhof eine Schlägerei gegeben hatte, war er garantiert darin verwickelt gewesen.
    Er tätschelte ihr Gesicht. Seine Hand war feucht.
    »Klar hast du einen durchgezogen! Du bist gar nicht die Spaßbremse, für die dich alle halten. Du bist nur keinen guten Stoff gewöhnt, was?«
    Sie wehrte ihn ab und entzog sich seinen Berührungen. »Lass mich!«
    »Ach komm, Josy, stell dich nicht so an! Du musst was trinken und ein bisschen was Süßes essen, dann geht’s dir gleich besser. Glaub mir, ich hab Ahnung davon.«
    Er zeigte auf eine Bude, wo Lebkuchenherzen und Zuckerwatte verkauft wurden.
    »Die haben da Zuckerstangen. Das Zeug stabilisiert dich sofort. Gummibärchen helfen auch!«
    Sollte sie ihn einfach fragen? Hast du mir die Rosen geschickt? Hast du die Abfalleimer auf die Columbusstraße geworfen? Sind die Chips für die Achterbahn von dir?
    Sie war zweigeteilt, einerseits traute sie Volker genau so eine Gemeinheit zu. Andererseits wiederum auch nicht. Er war dumm und doch auf eine gefährliche Art gerissen. Er liebte nur sich selbst und wollte so viel Spaß wie möglich so schnell wie möglich. Er lachte gern auf Kosten anderer Leute, und es machte ihm nichts aus, andere Menschen leiden zu sehen.
    Sie hatte noch gut die Bilder in Erinnerung, wie Volker auf der Prager Straße, nicht weit von Leons Wohnung entfernt, einen Mitschüler verdroschen hatte. Es war eine Prügelorgie gewesen. Sie hatte Volker angeschrien, er solle endlich aufhören, ob er Pit umbringen wolle. Irgendwann war Volker dann einfach gegangen und hatte Pit auf der Straße liegenlassen wie ein weggeworfenes Tempotaschentuch.
    Sie hatte Pit versorgt und ihm wieder auf die Beine geholfen. Sie wollte einen Arzt für ihn rufen, aber Pit hatte sie gebeten, das nicht zu tun. Er wollte alles vertuschen, tat, als sei er vom Rad gestürzt. Wahrscheinlich war es ihm peinlich, von einem Schüler verhauen zu werden, der nicht nur jünger war als er, sondern auf jeden Fall auch viel, viel dümmer.
    Langsam ging es Johanna besser. Sie schob sich an Volker vorbei. Sie musste in der Tat etwas trinken. Dort war ein Bierstand, und da gab es garantiert auch ein großes Glas Wasser.
    Sie drängte sich vor, was sonst gar nicht ihre Art war. Da sah sie Tobias Zenk mit Jessy Schmidt. Die beiden pickten gemeinsam in einer Currywurstschale herum. Das Ganze wirkte irgendwie aufgesetzt auf Johanna. Künstlich, unecht. Allein, dass Jessy, die immer so sehr auf ihre Figur achtete, Currywurst aß statt Salatblätter, war schon ein Ding der Unmöglichkeit. Für sie, die, genau wie Tobi, ihre Zukunft in Hollywood sah, waren Raucher kriminell, und Leute, die Brot aßen oder Schweinefleisch, komplett verrückt.
    Übten die zwei hier eine Rolle, oder warteten sie darauf, ihr beim Achterbahnfahren zuzusehen?
    Johanna drehte sich um. Waren hier auf dem Freimarkt noch mehr Bekannte?
    Der junge Mann hinter dem Tresen reichte ihr das Wasser mit einem Augenzwinkern.
    Verdammt, dachte sie, wollen mich hier alle anbaggern?
    Sie trank das Glas im Stehen mit einem Zug leer. Es war, als würde sie das kalte Wasser wieder erden und wie eine Mutwelle durch ihren Körper fluten. Sie musste aufstoßen, und auch das tat gut.
    Die fünf Chips brannten in ihrer Tasche. Ja, sie würde jetzt in diese gottverdammte Achterbahn steigen, sich anschnallen, so fest es nur ging, und dann wollte sie es hinter sich bringen.
    Es konnte so schlimm nicht sein. Die anderen Menschen überlebten es ja auch. Sie bezahlten sogar dafür und freuten sich darauf.
    Sie war anders. Sie
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