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Neobooks - Transalp 9

Neobooks - Transalp 9

Titel: Neobooks - Transalp 9
Autoren: Marc Ritter , CUS
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bringen. Also: Obacht!«
    »Dann packen wir mal unsere Sachen. Wenn du zu Fuß zur Marmolata hinübergehen willst, dann dauert das sicher so seine zwei Tage«, studierte Stephanie Gärtner die Karte.
    »Na ja, leider sind wir im Dienst und können uns solche Verzögerungen nicht leisten. Wenn das auch eine der schönsten Wanderungen ist, die man im Alpenraum so machen kann. Also, wie geht der schnellste Weg hier herunter zu einem Taxi?«
    »Über die Pordoi-Spitze müsste es am allerschnellsten gehen. Da geht die Seilbahn hinunter zum Pordoi-Joch. Wie passend. Und da verläuft die Straße.«
    »Kenne ich natürlich als alter Passiv-Radler. Beim Giro D’Italia war da schon ein paarmal ein Etappenziel. Und ein ganz großer Rennfahrer hat da Geschichte geschrieben. Aber das war alles vor deiner Zeit. Vor meiner eigentlich auch. Ich werde ja immer jünger, wie du ganz richtig sagst.«
    Malga Ciapela, 1450 Meter, 7.25 Uhr
    Der Ort war um diese Zeit wie ausgestorben. Hochsaison war hier im Winter. Jetzt im Sommer kamen fast nur Tagesbesucher der Seilbahn wegen zur Marmolata hinauf. Die Talstation lag noch im Morgenschlaf. Die erste Gondel ging um 9 Uhr. Spindler stieg über einen Weidezaun und schlich sich durchs feuchte Gras von hinten an das Gebäude der Seilbahn heran. Bald würde er, Rad sei Dank, einen Vorsprung von einigen Stunden haben.
    Moèna, 8. Juni 1945
    Seit Christina Gerdens Kastelruth bei Nacht und Nebel hatte verlassen müssen, versuchte sie, keinem Menschen zu begegnen, um mit niemandem sprechen zu müssen. Sie war hier auf italienischem Gebiet. Zwar konnten die meisten Bewohner der Dörfer auch Deutsch – aber wer kein Italienisch konnte, würde sich als Ausländer verraten. Sie schlich wieder nur nachts zwischen den Weilern und Höfen durch und schlief im Freien. Seit dem Tod des Mannes in Kastelruth war sie nicht nur eine Deutsche, die mit dem Vermächtnis des Führers durch Italien streifte. Sie war obendrein in einen Totschlag verwickelt. Zumindest würde das die Polizei – welche Polizei das auch immer wäre – sagen, wenn sie aufgegriffen und mit den Geschehnissen in Kastelruth in Verbindung gebracht würde. Und sie wäre leicht damit in Verbindung zu bringen. Vielleicht war sie von Nachbarn gesehen worden, als sie ankam. Oder, als sie fortlief. Wahrscheinlich war sie das. Sicher wussten alle im Dorf, dass dieser Mann einer Fremden Unterschlupf gewähren würde.
    Seit einem Monat war sie nun unterwegs. Sie hatte die zerbombte Stadt München hinter sich gelassen, war durch das Isartal in die Alpen gestiegen und hatte zum ersten Mal in ihrem Leben die Schönheit der Berge zu Fuß erschlossen. Bei aller Vorsicht und trotz des Versteckspiels hatte sie an manchen Stellen lange verweilt, um die Ansicht der reinen Natur zu genießen. Hinter ihr lag ein zerstörtes Land. Und hier war alles so frisch und durch das Frühjahr wie blank geputzt. Eigentlich hatte sie sich genau so das neue Deutschland vorgestellt, das der Führer hatte errichten wollen. Und nun lag dieses Land in Schutt und Asche. Sie war eine der ganz, ganz wenigen, die den nächsten Versuch wagen wollten, ein klares, strahlendes, sauberes Deutschland zu errichten. Auf den Ruinen, die die Feinde hinterlassen hatten. Diesmal würde es gelingen. Diese Wanderung hatte ihre Gedanken immer klarer werden lassen. Es gab nur den einen Weg. Sie musste das Vermächtnis an der angewiesenen Stelle deponieren, um es für die Nachwelt zu erhalten. Mehr als einmal war sie in Versuchung geraten, das Siegel zu brechen. Um sofort mit der Vollstreckung des Testaments des Führers zu beginnen. Doch sie musste sich in Geduld üben. Sie brauchte Männer. Männer wie ihren Mainhardt. Sie hoffte, dass es da noch andere geben würde. Und wenn nicht? Wenn Mainhardt und sie die einzigen verbliebenen Getreuen wären? Sie war Anfang dreißig. Sie konnte vielleicht fünf, sechs Kinder gebären. War das genug für ein Wiederentzünden der Flamme? Dazu musste sie aber erst einmal Mainhardt wiederfinden. Wie es ihm wohl seit ihrer Flucht aus Berlin ergangen war? Ob er überhaupt überlebt hatte? Was hatten diese Bolschewiken mit ihm gemacht? Hatten sie ihn mitgenommen? Sie versuchte immer wieder, diese schlechten Gedanken aus ihrem Kopf zu drängen. Und immer wieder kamen sie von neuem in ihr hoch. Nein, er musste überleben. Sie würden sich wiedersehen. Das Kind, das in ihr heranwuchs, durfte nicht ohne einen Vater aufwachsen. Das Kind war die Hoffnung für die Zukunft.
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