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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman
Autoren: Michel Birbaek
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Irgendwo erklang das typische Geräusch von Fahrstuhltüren. Eine Frau kam in den Gang gebogen und nahm Kurs auf uns. Sie trug eine getönte Brille und bequeme Kleidung. In dieser Richtung gab es nur das Ende des Flurs. Oder uns.
    »Zu wem wollen Sie?«, rief ich ihr entgegen.
    Die Frau antwortete nicht, sondern kam weiter auf uns zu. Ihre Kleidung war weit genug, um eine Kamera zu verstecken. Etwas flimmerte vor meinen Augen.
    Ich stand auf.
    »Paul!«, mahnte Mor. »Sie sieht uns nicht.«
    Ich sah genauer hin. Hinter den dunklen Gläsern ihrer Brille konnte ich jetzt ihre Augen erkennen, die ins Leere starrten. Sie legte ihren Kopf schief und sah in meine Richtung. »Station A 30?«
    »Da müssen Sie eine Etage höher«, sagte Mor. »Sie sind eine Etage zu früh ausgestiegen.«
    Ich nahm den Arm der Frau.
    »Ich helfe Ihnen.«
    »Danke, das ist nett.«
    Ich drehte sie behutsam um, wir nahmen Fahrt auf und steuerten den Fahrstuhl an. Sie stieg ein und bedankte sich noch mal. Die Türen schlossen sich, und ich verspürte Scham. So schnell ging das also. Man hatte einen schlechten Tag, und schon musste der Erstbeste dran glauben.
    Als ich mich umdrehte, war der Flur leer und Mor verschwunden. Ich fand sie in Neles Zimmer. Sie saß auf dem Stuhl neben dem Bett und gab mir ein Zeichen, draußen zu bleiben, also setzte ich mich wieder in den Gang. Die Mücke hing immer noch an der Wand. Eine Zeit verging, dann nahm ich energische Schritte wahr. Ich hob den Kopf. Anita und Rokko kamen den Gang entlang. Als sie mich sahen, lächelte Anita und umarmte mich.
    »Wie geht es ihr?«
    »Sie schläft noch«, sagte ich und sah zu Rokko, der den Gang im Auge behielt.
    »Was ist?«
    »Die Schwester am Eingang hat mich mit ihrem gottverdammten Handy geknipst!«
    Rokko. Ein Tag berühmt und schon genervt.
    Anita ließ mich los.
    »Ich schau mal zu ihr rein.«
    »Mor ist schon drin.«
    »Gut.«
    Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und verschwand ins Zimmer. Ich ließ mich wieder auf den Stuhl sinken. Rokko setzte sich daneben.
    »Wie ist der Plan?«
    »Welcher Plan?«
    »Wir müssen doch irgendetwas tun.«
    »Und was?«
    »Keine Ahnung.«
    »Dann nervnicht.«
    Ich starrte auf die Wand. Die Mücke tröstete mich. Es gab Schlimmeres, als blöd zu sein. Man konnte blöd und tot sein.
    Rokkos Gesicht schob sich vor meins.
    »Dicker, vom Rumhängen wird die Sache nicht besser.«
    Ich schloss die Augen. Er ließ sich davon nicht beeindrucken.
    »Sollen wir Telly noch mal fragen? Vielleicht hat er uns noch nicht alles gesagt.«
    Ich öffnete meine Augen wieder und sah in seinen nichts als Tatendrang. Ich wusste, ich könnte ihm alles abverlangen. Rokko. Mein Freund. Seit meiner Jugend. Er würde alles für mich tun. Wenn ich bloß wüsste, was.
    »Rokko, die Sache ist gelaufen.«
    Er sah mich düster an. Die Geschichte passte ihm nicht. Willkommen im Club.
    Irgendwann kam Anita aus dem Zimmer. Sie küsste mich, versprach mir, dass alles gut werden würde, und zog mit Rokko ab, der immer noch davon überzeugt war, dass man irgendetwas tun müsste. Mor ging wenig später. Vorher versprach sie mir, später mit Essen vorbeizukommen, dann ließ sie sich von Mohammed nach Hause fahren. Ich ging ins Zimmer und setzte mich neben das Mädchen, das ich liebte.
    Am Nachmittag schneiten ein paar Ärzte herein, die aussahen, als kämen sie direkt von der Uni. Sie schauten sich Nele an, sagten gut, gut und hmhm und standen ein bisschen herum, bevor sie weiterzogen wie ein ferngesteuerter Nomadenstamm. Kaum waren sie weg, klopfte es an der Tür. Ich erwartete, Mor zu sehen, aber stattdessen steckte Nissen den Kopf zur Tür herein. Ich hielt einen Finger vor meine Lippen und deutete auf den Flur. Er zog sich zurück. Ich warf einen Blick auf Nele, ging raus und zog die Tür leise hinter mir zu. Nissen saß auf einem der Stühle und atmete schwer. Zwei Patienten standen im Flur und unterhielten sich, eine Krankenschwester, die ich bisher noch nicht gesehen hatte, kam auf uns zu. Bevor sie ins gegenüberliegende Zimmer verschwand, lächelte sie mich an. Starrummel. Ich setzte mich neben Nissen.
    »Deine Mutter hat mich angerufen und mir erzählt, was passiert ist. Wie geht es ihr?«
    Ich starrte ihm in die Augen.
    »Sie wussten es. Sie wussten die ganze Zeit, dass Nele dabei war, als ihre Mutter starb. Deswegen das Gequatsche von Neles Kindheit. Deswegen wollten Sie sie gleich in die Klinik stecken.«
    Er nickte zerknirscht und hob entschuldigend die
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