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Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
Autoren: Andrea Schacht
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Kind.«
    Alyss spürte die Tränen aufsteigen. So lange hatte sie alleine ihre Last getragen, geschwiegen gegenüber den zwei Menschen, die sie auf der Welt am meisten liebte. Ja, ihres Vaters Herz hatte ihnen allen eine Warnung ausgesprochen.
    Sie ergriff die Hand, die die ihre bedeckte, und küsste sie.
    »Danke, Herr Vater.«
    »Gib dem Notarius deine Aufzeichnungen und schicke ihn dann zu mir. Ich will ihm den einen oder anderen Rat erteilen. Und nun, Kind, muss ich auf Befehl deiner Mutter ruhen.«
    »Dann gehorcht ihr, sonst zitiert sie wieder die Heilige Schrift.«

    »Eine Plage, dieses Weib.«
    »›Lass deiner Frau keine Gewalt über dich, damit sie nicht über dich Herr wird‹, so mahnt uns schon der weise Sirach.«
    »Geh mir aus den Augen!«, grollte der Herr, und Alyss befolgte seinen Befehl mit einem kleinen Kichern.
    Es hatten sich nämlich wieder kleine Fältchen um die Augen ihres Vaters gebildet.

40. Kapitel
    J ohn of Lynne betrachtete seinen struppigen Diener mit einem Grinsen.
    »Dir scheint es großes Vergnügen zu machen, meinen Aufträgen nachzukommen.«
    »Diesem, Master, diesem. Die Gänsehirtin hat mir zugesagt, dass die vier Exemplare von ausgesuchter Qualität sind, jedoch das männliche ein wenig … grillenhaft.«
    »Grillenhaft? Nun, wir werden sehen. Und die anderen Aufträge …?«
    »Erledigt, Master. Ich treffe in Kleve auf Euch, wenn die Ladung vom Schiff auf die Karren verladen wird. Hoffen wir, dass Euer Begleiter genug mit den neuen Eindrücken beschäftigt ist und einem ungehobelten Handelsknecht keine Aufmerksamkeit schenkt.«
    »Er wird mit seinen neuen Sprachkenntnissen angeben und sich freuen, dich damit zu beeindrucken.«

    »Gut denn. Ich begleite Euch bis Deventer und danach …«
    »Bleibst du dort und wickelst meine Geschäfte ab. Den Jungen nehme ich mit nach London und führe ihn im Gildehaus ein. Damit vermeiden wir weitere Komplikationen. Und nun sag mir, wo ich den grillenhaften Vogel und seine Kebsen finde.«
     
    John machte sich, nachdem er eine genaue Beschreibung erhalten hatte, beinahe unangemessen vergnügt auf den Weg, sein Abschiedsgeschenk für Mistress Alyss zu erwerben. Es drückten ihn zwar noch eine ganze Reihe von Sorgen, denn so viele Fäden, die er in der Hand hielt, wiesen noch lose Enden auf, aber da er sich angewöhnt hatte, sich auf das Naheliegende zu konzentrieren und den Herausforderungen der Zukunft dann zu begegnen, wenn sie greifbar wurden, konnte er seinen Seelenfrieden an diesem kalten, sonnigen Montagmorgen genießen.
    Die Verhandlung mit der Gänsehirtin verlief dann auch in heiterer Atmosphäre, und das kecke Mädchen erhielt neben einem Beutel Münzen auch einen herzhaften Kuss als Dreingabe. Herzhaft, nicht süß oder gar feurig. Der Gänserich hingegen verhielt sich weit weniger entgegenkommend als die Maid. Er war ein Prachtvogel, mit breiter weißer Brust und einem infernalischen Fauchen, kämpferisch und eigensinnig. Die Gänsehirtin hatte ihm ein breites Lederband um den langen Hals gewickelt und mit einem weiteren seine drei Damen an ihn gebunden. Widerwillig, doch dem Zwang gehorchend, folgte die kleine schnatternde Schar ihrem neuen Besitzer vom Perlengraben durch die Straßen der Stadt Richtung Witschgasse, wo sie ihr neues Zuhause finden sollten.

    Es machte John wenig aus, dass er dabei zum Gespött der Wäscherinnen und Gassenjungen wurde, die nicht mit guten Ratschlägen und derben Witzen geizten. Er zahlte es ihnen in gleicher Münze heim, sodass er sich bald auch von einem kleinen Gefolge umgeben sah. Ein Geschöpfchen erkannte er unter den Lumpenkindern. Mistress Alyss hatte sie ihm vor kurzem gezeigt – die rothaarige Lore, die kichernd weghüpfte, wann immer der Gänserich mit seinem harten Schnabel nach ihr haschte.
    »Maid Lore«, sprach er sie an, als sie kurz vor dem Haus von van Doorne angekommen waren.
    »Ihr kennt mich, wohledler Herr Gänsehirt?«
    »Du kennst mich doch auch, oder nicht?«
    Lore schniefte und wischte sich die Nase am Ärmel ab.
    »Ihr seid dä Frau Alyss ihrn Schmuusbüggel!«
    John hatte noch immer einige Schwierigkeiten mit gewissen Vokabeln, aber er ahnte, dass die Maid hier eine unbillige Feststellung gemacht hatte, und versuchte, sie zu korrigieren.
    »Ich bin ein ehrbarer Kaufmann, Maid Lore, und tätige Geschäfte mit Mistress Alyss.«
    »Sacht Ihr.«
    Das Grinsen in ihrem schmuddeligen Gesicht war mehr als zweideutig, und John erwiderte es mit Herzlichkeit. Die Kleine gefiel
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