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"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

"Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: "Natürlich kann geschossen werden": Eine kurze Geschichte der Roten Armee Fraktion - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Michael Sontheimer
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Protest zum Widerstand« gepredigt; jetzt war sie langsam bereit, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen.

    Horst Mahler, der den Aufbau einer Guerilla-Gruppe vorantrieb, sah sich in einer Sackgasse. Der Springer-Konzern hatte zivilrechtlich gegen den einst erfolgreichen Wirtschaftsanwalt durchgesetzt, dass er mehr als 75 000 Mark für die Schäden bei der Blockade des Konzerngebäudes nach dem Dutschke-Attentat zahlen sollte. Seine bürgerliche Existenz war ruiniert. Mahler hatte bereits weitere Genossen angeheuert: Nacht für Nacht diskutieren sie darüber, eine illegale bewaffnete Gruppe aufzubauen, nach dem Vorbild südamerikanischer Stadtguerilleros.

    In West-Berlin hatte sich mittlerweile auch rund um ein paar Kommunen eine anarchistische Szene etabliert. Mit Parolen wie »Haschisch, Trips und Heroin - für ein freies West-Berlin« mobilisierte ein »Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen« Hippies für militante Aktionen. Dass es aber vor allem um Spaß ging, zeigte der Slogan »High sein, frei sein, Terror muss dabei sein!«.

    Als »Tupamaros West-Berlin« hatten die Anarchisten - einige schlossen sich später der RAF an, die meisten gründeten die Bewegung 2. Juni - im Herbst 1969 die ersten Bomben gelegt. »Es war noch Räuber-und-Gendarm-Spielen«, sagt ein damaliger Beamter der Politischen Polizei. Er habe die jungen Revoluzzer aber immer gewarnt: »Irgendwann gibt es einen Toten und dann wird es ganz ernst.«

    Die späteren Gründer der RAF hielten die zumeist drogenumnebelten Anarchisten für Dilettanten. Sie hingegen wollten »an der Basis« arbeiten, im Märkischen Viertel, einer Trabantenstadt, das Proletariat aufwiegeln - und gleichzeitig illegal agieren. Für Baader und Ensslin erübrigte sich diese Doppelstrategie. Gegen sie waren inzwischen, da sie die Ladung zum Strafantritt ignoriert hatten, Vollstreckungshaftbefehle ergangen.

    Die Gruppe hatte ein großes Problem: Sie wollte den bewaffneten Kampf aufnehmen, hatte aber keine Waffen. Horst Mahler wandte sich deshalb an einen Mann namens Peter Urbach. Er hatte sich schon in der Kommune 1 herumgetrieben und dort Bomben geliefert. Auch der Prototyp für die Brandsätze, die in Frankfurt zum Einsatz gekommen waren, stammte von ihm. »Insgeheim«, so hieß es allerdings später in einem Urteil, »war Urbach jedoch als Vertrauensmann für das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz tätig.«

    Obwohl die Tupamaros Mahler vor Urbach gewarnt hatten, ging er auf den Vorschlag des Verfassungsschutzagenten ein, zusammen mit Baader und zwei weiteren Genossen auf einem Friedhof am Stadtrand nach angeblich dort versteckten Wehrmachtspistolen zu graben. Auf dem Weg zum Friedhof nahm die Polizei Baader fest. Er hatte den Pass des Schriftstellers Peter O. Chotjewitz dabei, in den ein Foto von ihm eingefügt worden war. Aber leider wusste er die Zahl der darin eingetragenen Kinder nicht.

    Gudrun Ensslin war sofort wild entschlossen, ihren Geliebten zu befreien. Dass sie gute Nerven hatte, stellte sie unter Beweis, als sie - obwohl nach ihr gefahndet wurde - mit dem Ausweis einer Bekannten als »Dr. Grete Weitemeier« Baader dreimal im Gefängnis besuchte. »Grete« war auch der erste Deckname Ensslins. Ihr Geliebter Baader, den sie »Andy« nannte, bekam den Tarnnamen »Hans«.

    Ulrike Meinhof wurde »Anna« genannt. Ihr Verleger Klaus Wagenbach hatte zwar einen Buchvertrag mit ihr und Baader aufgesetzt, um dessen Flucht zu ermöglichen, war aber »absolut dagegen, dass Ulrike Meinhof in den Untergrund geht«. Da sein Verlag überwacht wurde, machte er mit der Journalistin einen Spaziergang, um ihr ins Gewissen zu reden. Wagenbach hatte mit 15 als Hitlerjunge seine Panzerfaust weggeworfen und fand die Idee des bewaffneten Kampfes absurd. »So viele gute Federn wie dich gibt es nicht«, bestürmte er Meinhof. Doch er erreichte sie nicht mehr.

    Zur Waffenbeschaffung fasste die Gruppe einen neuen Plan. »Wir wollten uns«, so ein einstiger RAF-Mann, »an der Mauer in Kreuzberg zwei Polizisten schnappen, sie mit Äther betäuben und ihnen die Uniformen und Maschinenpistolen abnehmen.« Horst Mahler und zwei Genossen warteten an einer dunklen Ecke in Kreuzberg auf eine solche Doppelstreife der West-Berliner Polizei. Doch als die Grenzpatrouille sich näherte, verlor Mahler die Nerven, sprang aus dem Auto und vermasselte den Überfall. Gudrun Ensslin beschimpfte die drei Männer anschließend als »unfähige Typen«.

    Es mussten zwei junge Frauen
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