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Nächte in Babylon

Nächte in Babylon

Titel: Nächte in Babylon
Autoren: Daniel Depp
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Geräten. Um drei Uhr morgens ging die Tür auf, jemand schob sich ins Zimmer und setzte sich neben das Bett. Er starrte Special minutenlang schweigend an. Dann sagte er:
    »Du schuldest mir einhundertsiebenundvierzigtausend Dollar und …« Locatelli nahm einen Zettel aus seiner Jackentasche und warf einen prüfenden Blick darauf. »… und dreiundfünfzig Cent. Die Zinsen erlasse ich dir, weil du momentan ganz offensichtlich in Schwierigkeiten steckst.«
    Nachdem Locatelli vergeblich auf eine Antwort gewartet hatte, erhob er sich ächzend und holte sich aus einer Obstschale, die auf einem Tischchen stand, eine Orange. Schnaufend nahm er wieder auf dem Stuhl Platz und zückte ein kleines goldenes Taschenmesser.
    »Wir haben zwei Alternativen. Entweder lasse ich dich von meinen beiden Jungs, die vor der Tür stehen, neu verkabeln.«
    Locatelli konzentrierte sich minutenlang darauf, die Orangenschale, ohne das Messer abzusetzen, in einem einzigen langen Streifen abzulösen. Stolz betrachtete er sein Werk und legte die Schale weg. Dann teilte er die Orange in einzelne Schnitze.
    »Oder wir einigen uns auf einen Deal.«
    Specials Augenlider zuckten und öffneten sich.
    »Im Tausch für meine einhundertsiebenundvierzigtausend Dollar und …« Er konsultierte noch einmal seinen Zettel. »… dreiundfünfzig Cent gehen die Exklusivrechte an deiner heldenhaften und herzerwärmenden Geschichte an meinen Verlag Collateral Press, für den du ein Buch schreiben wirst. Beziehungsweise schreiben lassen wirst. Die Filmrechte an dem Buch werden anschließend an meine Produktionsfirma Collateral Pictures verkauft. Du unterschreibst eine vertrauliche Vereinbarung, die besagt, dass du tust, was man dir sagt, und dafür nicht von einem Müllauto überfahren wirst. Wie klingt das? Du kannst sogar bei Oprah auftreten, juppi-du.«
    Specials Hand zuckte, seine Finger machten Schreibbewegungen. Locatelli nahm ein ledernes Notizbüchlein und einen rötlichbraunen Tintenroller von Montblanc heraus. Er drückte Special den Stift in die Hand und hielt das aufgeklappte Notizbuch darunter. Special fing an zu kritzeln. Locatelli nahm das Notizbuch an sich, setzte seine Lesebrille auf und hielt die Seite ans Licht. Die Schrift war eine Sauklaue, aber trotzdem lesbar:
    l m a A – Produz. + Prozente!!!
    »Wollen wir doch mal sehen«, sagte Locatelli, »ob ich dich richtig verstanden habe. Du bist ein billiger kleiner Lude aus East-L. A., zersäbelt wie eine Mortadella, drei Mal in die Brust geschossen, in einem Froschfresserkrankenhaus von Apparaten am Leben gehalten – ganz zu schweigen davon, dass du mir über hundert Riesen schuldest –, und du willst handeln ?«
    Locatelli schraubte die Kappe auf den Montblanc, klappte das Notizbuch zu und steckte beides weg. Er lehnte sich zurück, aß ein paar Stücke Orange, trocknete sich den Saft mit einem seidenen Taschentuch von den Fingern.
    Er stand auf, steckte den letzten Orangenschnitz in den Mund und sagte kauend: »Willkommen in Hollywood, mein Junge. Du bist ein Naturtalent.«
    An der Tür blieb Locatelli noch einmal kurz stehen. Er schüttelte den Kopf und gab einen Laut von sich, den man durchaus als anerkennendes Lachen verstehen konnte.
    Special schloss die Augen und lächelte. Er dachte an Patsy und Haut-Brion und den Lammbraten aus dem Hotel Martinez. Wenn man sich erst mal daran gewöhnt hatte, gab es echt was Schlimmeres als dieses Cannes. Es ließ sich hier tatsächlich leben wie Gott in Frankreich. Kaum zu fassen, aus welcher Scheiße man sich am eigenen Schopf wieder herausziehen konnte, solange man nicht die Nerven verlor oder sentimental wurde. Und vor allem, solange man sich aufs Geschäft konzentrierte.
    Er schloss die Augen und schlief – nicht den Schlaf des Gerechten, sondern den des gerechtfertigten Sünders.

SECHS MONATE SPÄTER

Es war später Nachmittag, und Donnie Mascallari saß in Reno, Nevada, vor einem superleckeren Teller Linguine vongole. Klar war es ein bisschen unheimlich, mitten in der Wüste Venusmuscheln zu spachteln. Aber andererseits waren die Viecher ja schließlich nicht zu Fuß nach Reno gelatscht.
    Um diese Tageszeit war in dem italienischen Restaurant nicht viel los. Außer Luigi, dem Wirt, und Donnie waren nur zwei Gäste da. Der eine war ein alter Knacker, der Donnie auf dem Strip schon seit Ewigkeiten immer mal wieder über den Weg lief. Der andere war die Blondine, die mit ihm quatschte. Sie trug einen knallengen Rock mit Leopardenmuster und ein
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