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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio
Autoren: Vanessa Farquharson
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im Nebel zu stochern.
    29. FEBRUAR , 366. TAG
    Schlafen gehen
    Um halb elf Uhr vormittags am letzten Tag meines einjährigen Projekts schlürfe ich gemütlich meinen fair gehandelten Kaffee aus dem Thermobecher und schaue zu, wie Michael Pitt mit einem Golfschläger Tim Roth in die Kniekehlen haut, während Naomi Watts gefesselt und geknebelt und nur in Unterwäsche danebensitzt und heult. Es lief die Presse-Preview des Films Funny Games U.S. , ein eindringlicher und umstrittener Thriller des österreichischen Regisseurs Michael Haneke. Ich saß im selben Kino, in dem ich fast jeden Freitagvormittag verbringe, denn hier werden den Presseleuten sämtliche neu anlaufenden Filme vorgeführt, damit sie schon vorab ihre Kritiken schreiben und ihre Sterne vergeben können.
    Es war ein ziemlich durchschnittlicher Freitagvormittag, doch mich hatte eine ungewöhnliche Erregung gepackt – nicht wegen der Szenen da auf der Leinwand, sondern weil ich durchdrungen war von dem Gefühl, etwas Großes geschafft zu haben. In wenig mehr als zwölf Stunden hatte ich etwas vollbracht, was vor mir keiner getan hatte. Dann würde ich auf 366 Veränderungen in meinem Leben zurückblicken können, die ich um der Erde willen vorgenommen hatte, gleichermaßen stolz wie erschöpft aufseufzen und essen, essen, essen … ich konnte essen, was ich wollte, Bananen, Käsecracker, Sushi, Guacamole. Danach konnte ich mir ein heißes Bad einlaufen lassen und drinbleiben, bis mich die Wärme zu benommen gemacht hatte, um wieder herauszusteigen.
    Schon seit geraumer Zeit fragte ich mich, welchen Schritt ich als allerletzten tun sollte. Auf jeden Fall würde es etwas sein, was ich nur 24 Stunden durchzuhalten brauchte. Das brachte mich auf den Gedanken, aufs Ganze zu gehen: nicht duschen, nicht essen, nicht trinken, nichts benutzen, nichts tun, nichts kaufen – vielleicht sogar die Atmung verlangsamen und das CO 2 ausgleichen, das ich sonst an einem Tag mit meiner Atemluft erzeugte. Aber irgendwie erschien mir das als zu aufgesetzt, so als wollte ich mich über extrem nachhaltige Lebensweisen lustig machen, obwohl mir das wirklich fernliegt.
    Als es dann so weit war, dass ich mein letztes grünes Versprechen abgeben musste und ich noch immer nicht wusste, was es sein sollte, wandte ich eine klassische Schreibblockadentechnik an, die ich im Banff Centre gelernt hatte: zum Anfang zurückkehren.
    Auf Recycling-Küchenpapier umsteigen.
    Dieses ganze Projekt hatte begonnen mit dem Umstieg auf Recycling-Küchenrollen. Seitdem war vieles geschehen – Küchenrollen hatte ich beispielsweise ganz abgeschworen –, und mein ursprünglicher Plan, kleine Schritte in Richtung Umweltverträglichkeit zu machen, hatte sich völlig zerschlagen, weil mir klar wurde, dass ich nur eine begrenzte Anzahl von diesen Schritten tun konnte, ehe mir ausschließlich Riesenschritte und -sprünge übrig blieben.
    So gelangte ich also von der ursprünglichen Annahme, der Weg zu mehr Nachhaltigkeit bestünde aus kleinen und nicht großen Veränderungen des Lebensstils, hin zu der Erkenntnis, dass sowohl große als auch kleine Veränderungen notwendig sind. Trotzdem hielt ich es für wichtig, mit etwas Einfachem abzuschließen.
    Und das war Schlafen.
    Auf die Idee hatte mich Molly gebracht, eine meiner Leserinnen, die als Kommentar zu meinem Haiku-Beitrag einen Link zu einer Story des Guardian eingefügt hatte, in dem die Umweltfreundlichkeit des Schlafens angepriesen wurde. Der Artikel war ziemlich theoretisch, wahrscheinlich überwiegend spekulativ und mehr als nur ein bisschen ironisch – also wie auf mich zugeschnitten. Zwar wurden am Anfang ein paar alberne Behauptungen aufgestellt, dann aber auch durchaus stichhaltige Argumente aufgeführt: Wenn man früher schlafen geht, werden die Lichter früher ausgeschaltet und weniger elektrische Geräte sind in Betrieb, außerdem neigen ausgeschlafene Menschen dazu, weniger Ressourcen zu verbrauchen als ihre gestressten Mitbürger.
    Green as a Thistle hatte klein begonnen und würde mit etwas Kleinem enden – und zwar damit, dass ich und mein Blog ein längeres Nickerchen machen.
    Als ich vom Kino heimkam, begann ich das Haus aufzuräumen und alle Vorbereitungen für die große »Öko, nein danke«-Party heute Abend zu treffen. Letztlich konnte ich mich doch nicht überwinden, Styroporbecher und Plastikbesteck zu kaufen; Tüten mit konventionellen Käsecrackern und australischer Shiraz, damit war die Schmerzgrenze dessen erreicht, was
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