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Nachtwelt

Nachtwelt

Titel: Nachtwelt
Autoren: Theres Buechner
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Müsste Andy nicht sagen: … dass er dir gefallen wird .
    In diesem Moment kommt Michi mit einer riesigen
Salatschüssel aus dem Haus und Mimi denkt ihren Gedanken nicht zu Ende. Michi
stellt die Schüssel auf den frisch geputzten Tisch und schwebt dann,
elfengleich auf Mimi zu, um sie in ihre Arme zu schließen.
     
    Sie sieht total schön aus, wie der Frühling selbst.
Ihre langen Haare hat sie zu einem wilden Knoten hochgesteckt. Sie trägt ein
lindgrünes, knöchellanges Kleid, dessen ¾ Ärmel leicht ausgestellt sind und
fast bis zu den Fingerspitzen reichen. So, wie sie aussieht, könnte sie direkt
aus einem Fantasyroman herüber geweht sein.
    Mimi sagt anerkennend: „Du siehst schön aus.“
    „Danke. Und? Hast du letzte Nacht gut geschlafen?“
    Erwartungsvoll schaut Michi sie an. So, als hätte sie
über ihre letzte Nacht irgendetwas Sensationelles zu berichten. Auch Andy hat
sich zu Mimi umgedreht und wartet auf ihre Antwort. Mimis Stimme ist ein
bisschen verkrampft, als sie antwortet.
    „Ja, ich habe sogar etwas Schönes geträumt.“
    „Na, dass ist ja schon mal was. Erzähl.“
    Michi und Andy sind irgendwie aufgedreht und ehrlich
gespannt auf ihren Traum.
    „Tut mir leid, ich krieg’ den Traum nicht mehr
zusammen. Feuer war da und Hunde, groß wie Kälber. Ich kann mich nicht richtig
erinnern.“
    Wahrscheinlich bildet Mimi es sich ein, aber die
Beiden scheinen enttäuscht zu sein.
    „Das ist nicht viel, woran du dich erinnerst. Kaum zu
glauben, dass dir ein schöner Traum verloren geht.“
    Hört sie da einen vorwurfsvollen Unterton in Michis
Stimme?!
     
    Mimi weiß nicht warum sie die Beiden anlügt. Nichts
von dem Traum ist ihr verloren gegangen. Sie kann sich an jede Kleinigkeit
erinnern. Mimi spürt noch die Wärme der Feuer und der Duft von Gewürzen und
Honig scheint noch in der Luft zu liegen. Sie überlegt, dass sie Michi und Andy
von den giftigen Pilzen und den Singenden Bäumen hätte erzählen sollen. Sie
hätten gemeinsam über Andys Streitaxt – die super zu ihm passt – lästern
können.
    Jetzt dreht sich die Unterhaltung um die Arbeit. Andy
hat Sorge um seinen Job. In seinem Unternehmen stehen mehrere Kündigungen an.
„Scheiß Wirtschaftskrise.“ Michi und Mimi finden ein paar tröstende und
beruhigende Worte.
     
    Das Essen ist, wie immer, fantastisch. Mimi ist
pappsatt, als sie, wie ihre Gastgeber, nach den Zigaretten greift und dann rauchend
zurück in den Gartenstuhl fällt.
    „Michi, das war total lecker.“
    „Ich habe nachher noch Eis, mit heißen Himbeeren.“
     
    Es ist bestimmt über 20° warm. Michi, Andy und Mimi
hängen rauchend und schweigend in ihren Gartenstühlen. Michi hat die Augen
geschlossen und ihr Gesicht in die Sonne gedreht. Jetzt erst fällt Mimi Michis
Kette auf.
     
    Ein geflochtenes Lederband, an dem ein ovaler,
silberner Anhänger befestigt ist. In dem silbernen Oval befindet sich eine
Irminsul. Die Irminsul war ein altsächsisches Hauptheiligtum. Sie symbolisiert
den Weltenbaum der Germanen und steht im Zusammenhang mit der Weltesche und dem
immergrünen Kultbaum der Wikinger. Am Fuße der Weltesche spinnen die drei
Nornen die Schicksalsfäden der Menschen. Noch vor ein paar Wochen hat Mimi
alles darüber im Internet gelesen und war von der Mythologie total fasziniert.
     
    Genau diese Kette trug Michi letzte Nacht, in Mimis
Traum. Mimi hat keine Erinnerung daran dieses Schmuckstück vorher schon einmal
an Michi gesehen zu haben.
    „Deine Kette ist toll, wo hast du die gekauft?“
    „Die habe ich mir gestern Nachmittag aus der Stadt
mitgebracht. Ich habe sie bei den Ständen, die vor dem Stadtcenter stehen,
gefunden. Du weißt schon, da wo sie Ledersachen und Schmuck verkaufen.“
    Fast unmerklich zuckt Andy zusammen.
    „Du hast sie erst gestern Nachmittag gekauft?“ Mimi
versteht die Welt nicht mehr.
    „Ja, gestern.“
     
    Wie ist es möglich, dass Mimi diese Kette in ihrem
Traum gesehen hat? Sie hat Michi das letzte Mal vor über einer Woche getroffen.
Zu viele Gedanken hüpfen auf einmal kreuz und quer durch ihren Kopf. Sie wird
das Gefühl nicht los, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Schnell setzt Mimi
sich in ihrem Stuhl auf. JETZT will sie über ihren Traum sprechen. Gerade als
sie loslegen will sagt Andy: „Michi, hilf mir bitte das Geschirr in die Küche
zu bringen. Wir können dann gleich den Nachtisch fertig machen. Mimi will nach
dem Essen gehen. Sie hat gesagt, dass sie noch ein Date mit Petra hat.“
    Durchdringend
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