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Nachtwelt (German Edition)

Nachtwelt (German Edition)

Titel: Nachtwelt (German Edition)
Autoren: Theres Büchner
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Während des Gehens streicht sie leicht über verschiedene Blüten, von denen sich einige unter ihrer Berührung langsam schließen.
     
    Neben dem Pfad wächst eine Gruppe von Pilzen. Sie sind so groß, dass sie Mimi bis zur Brust reichen. Jeder der Pilzhüte ist mit unterschiedlichen Ornamenten und Bildern verziert. Einer der Pilze zeigt Florahle Muster, ein anderer ein sich liebendes Paar. Auf einem der Pilzhüte ist eine Gemeinschaft zu sehen, die mit erhobenem Schwert Seite an Seite steht. Auch ein großes Rudel wolfsähnlicher Hunde ist dargestellt.
     
    Es sind weit über hundert Pilze. Die Bilder sind nicht auf die Hüte gemalt oder geschnitzt. Vielmehr sind sie aus den Pilzhüten herausgewachsen. Alle zusammen scheinen eine Geschichte zu erzählen. Besonders gut gefällt Mimi die Gemeinschaft, die mit ihren erhobenen Schwertern abgebildet ist. Fast glaubt sie Petra, ihre beste Freundin und sich selbst dort zu erkennen. Sie streckt die Hand aus, um die Linien des Bildes mit dem Finger nachzufahren.
    Bevor sie den Pilz berühren kann, tritt ein Zwerg hinter dessen Stamm hervor. Sein Blick lässt keinen Zweifel daran, dass es besser ist, ihr Vorhaben zu unterlassen. Der Zwerg ist gerade so groß, dass er unter dem Pilzhut stehen kann. Wie Mimi trägt er Lederstiefel. Sein Hemd und seine Hose sind purpurn. Um seine Hüfte hat er einen breiten, schwarzen Gürtel, dessen goldene Schnalle reich verziert ist, geschlungen. Sein Hut, mit riesiger Krempe, ist aus dem gleichen Leder wie seine Stiefel.
     
    Die Nase des Zwerges ähnelt einem Elefantenrüssel und reicht ihm bis zu seinen Knien. Der untere Teil der Nase öffnet sich trichterartig und erinnert an das Endstück einer Trompete. Der Zwerg hat seine Arme fest vor der Brust verschränkt.
    Als er anfängt zu sprechen ist Mimi verwundert. Aufgrund der Nasenform hat sie mit einer trötenden Stimme gerechnet. Doch die Stimme des Zwerges ist sanft und weich, als er sagt: „Unsere Freunde sind zwar wunderschön, aber leider töten sie. Selbst bei einer flüchtigen Berührung würde ein Mensch innerhalb von Sekunden sterben. Allerdings kann ihr Gift auch Heilung bringen. Aus den Pilzsporen gewinnen wir ein Pulver. Wird dieses auf eine Wunde gestreut, heilt sie binnen kürzester Zeit. Damit unsere Freunde niemandem Schaden zufügen und, um die Medizin herzustellen gibt es uns, die Wächter des Giftes .“ Während der Zwerg dies sagt breitet er seine Arme aus und blickt von einem Pilz zum anderen. Hinter jedem Stamm tritt ein Zwerg hervor.
     
    Nun wendet sich der Zwerg wieder an Mimi: „Noch bevor der Mond ein zweites Mal sein volles Gesicht zeigt, wirst du in die Schlacht ziehen. Deshalb gebe ich dir einen Beutel des Heilenden Pulvers, denn du wirst es benötigen.“
     
    An einem Lederband hält er Mimi einen kleinen, purpurnen Beutel entgegen. Sie beugt sich zu dem Zwerg herab, damit er ihr die Lederkette umlegen kann.
    „Warum sollte ich kämpfen?“, will sie wissen, während sie ihre Haare unter dem Lederband hervorzieht.
    „Um Erkenntnis zu erlangen.“
    Ungläubig schaut sie den Zwerg an. „Mimi, wie deine Schwestern und Brüder bist du eine große Kämpferin. Leider hast du noch nicht aus eigener Kraft deinen Weg hierher gefunden. Dir bleibt nicht viel Zeit um zu lernen. Geh’ jetzt. Wenn du die Singenden Bäume hörst, bist du auf dem richtigen Weg. Man erwartet dich seit langer Zeit.“
     
    Nichts in diesem Traum verwundert Mimi. Nicht die Wächter, nicht, dass sie kämpfen soll oder dass sie erwartet wird. Was sie nachdenklich macht ist die Bemerkung, dass sie den Weg hierher nicht allein gefunden hat. Als sie die Angorasocken auszog war sie hier - oder?! Also kein Grund für den vorwurfsvollen (Zwergen-)Unterton.
     
    Mimi dreht sich noch einmal zu den Pilzen um. Keiner der Wächter ist mehr zu sehen, aber sie spürt, wie die Blicke der Zwerge ihr folgen. Nach einiger Zeit vernimmt sie eine leise Musik. Es sind wunderbare, sanfte Töne – ähnlich einem Windspiel. Über den glockenartigen Grundton legt sich eine Melodie, die so schön ist, dass Mimi beinahe anfängt zu weinen.
    Automatisch geht sie schneller. Fast rennt sie, weil sie so neugierig ist, zu sehen, wer diese Musik spielt. Dann sieht sie sie. Die Singenden Bäume. An ihren Ästen, dort wo anderen Bäumen Blätter wachsen, haben die Singenden Bäume kleine, eisblaue Blüten. Es müssen Tausende sein.
    Als Mimi eine von ihnen berührt ist diese hart und kalt. Der Wind, der durch die
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