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Nachts

Nachts

Titel: Nachts
Autoren: Stephen King
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Sam.

    Ich kann nur hoffen, es wird nicht wieder eine Krisensituation erforderlich sein, Sie in unsere Bibliothek zu bringen. Sie ist klein, aber fein. Finde ich jedenfalls, aber ich bin selbstverständlich voreingenommen.«
    Sie traten durch die Tür in die mißbilligenden Schatten des Hauptsaals der Bibliothek. Ms. Lortz drückte auf drei Schalter neben der Tür, worauf die hängenden Kugeln einen weichen gelben Schein verbreiteten, der den Raum sichtlich gemütlicher machte.
    »Wenn es bewölkt ist, wird es so düster hier drinnen«, sagte sie mit einer vertraulichen WirsindjetztindereigentlichenBibliothekStimme. Sie zupfte Sam immer noch fest am Ärmel. »Aber Sie wissen ja, wie sich die Stadtverwaltung über die Stromrechnung einer Institution wie dieser hier beschwert vielleicht auch nicht, aber dann können Sie es sich bestimmt denken.«
    »Kann ich«, sagte Sam, der ebenfalls beinahe flüsternd sprach.
    »Aber das ist eine Kleinigkeit gegen das, was sie im Winter über die Heizkosten zu sagen haben.« Sie verdrehte die Augen. »Öl ist so teuer. Daran sind diese Araber schuld und denken Sie nur, was sie jetzt vorhaben sie versuchen, Killer anzuheuern, um Schriftsteller zu töten.«
    »Das scheint mir wirklich ein wenig drastisch zu sein«, sagte Sam, der wieder an das Plakat mit dem großen Mann denken mußte
    den mit dem seltsamen Stern an der Kennkarte, dessen Schatten so bedrohlich über die aufwärts gerichteten Gesichter der Kinder fiel.
    Über sie fiel wie ein Blutfleck.
    »Und ich habe mir selbstverständlich in der Kinderbibliothek zu schaffen gemacht. Wenn ich dort bin, verliere ich jedes Zeitgefühl.«
    »Wirklich ein interessanter Saal«, sagte Sam. Er wollte fortfahren und sie nach den Plakaten fragen, aber Ms. Lortz kam ihm zuvor.
    Sam wurde klar, wer das Sagen bei diesem außergewöhnlichen Ausflug an einem ansonsten gewöhnlichen Tag hatte.
    »Auf jeden Fall! Und jetzt warten Sie einen Augenblick.« Sie hob die Arme und legte ihm die Hände auf die Schultern dazu mußte sie sich auf die Zehenspitzen stellen , und Sam hatte einen Moment die absurde Vorstellung, daß sie ihn küssen würde. Statt dessen drückte sie ihn auf eine Holzbank, die am Regal der Neuerscheinungen entlang verlief. »Ich weiß genau, wo die Bücher sind, die Sie suchen, Sam. Ich muß nicht einmal in die Kartei sehen.«
    »Ich könnte sie selbst holen «
    »Das weiß ich«, sagte sie, »aber sie sind in der Abteilung für spezielle Nachschlagewerke, und ich mag es nicht, daß Leute sich dort herumtreiben, wenn ich es verhindern kann. Diesbezüglich bin ich ziemlich streng, aber ich weiß immer, wo ich finde, was ich suche jedenfalls da hinten. Die Leute sind so schlampig, sie haben so wenig Sinn für Ordnung, Sie wissen ja. Kinder sind am schlimmsten, aber selbst Erwachsene werden zu Schlampern, wenn man sie läßt. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin in Null Komma nichts wieder da.«
    Sam hatte nicht die Absicht, weitere Einwände zu erheben, und selbst wenn, hätte er gar keine Zeit dazu gehabt. Sie entschwand. Er saß auf der Bank und kam sich wieder wie ein Viertkläßler vo r diesmal wie ein Viertkläßler, der etwas Unrechtes getan hatte, der zum Schlamper geworden war und deshalb nicht mit den anderen Kindern zum Spielen hinausdurfte.
    Er konnte hören, wie sich Ms. Lortz im Zimmer hinter dem Ausgabeschalter bewegte, und sah sich nachdenklich um. Außer Bücher war nichts zu sehen nicht einmal ein alter Rentner, der die Zeitung las oder eine Zeitschrift durchblätterte. Das kam ihm seltsam vor. Er hatte nicht damit gerechnet, daß eine Kleinstadtbibliothek wie diese hier blühende Geschäfte an einem Werktagnachmittag machte, aber gar keine?
    Nun, da war Mr. Peckham, dachte er, aber der hat die Zeitung fertiggelesen und ist nach Hause gegangen. Schrecklich dünn, die Freitagsausgabe, Sie wissen ja. Und der Staub ist auch dünn. Und dann wurde ihm klar, er hatte lediglich das Wort von Ms. Lortz, daß Mr. Peckham tatsächlich dagewesen war.
    Stimmt aber warum sollte sie lügen ?
    Er wußte es nicht und bezweifelte stark, daß sie gelogen hatte, aber allein die Tatsache, daß er die Aufrichtigkeit einer netten alten Dame in Frage stellte, die er gerade erst kennengelernt hatte, warf ein Licht auf das zentrale Rätsel dieses Zusammentreffens: Er konnte sie nicht leiden. Nettes Gesicht hin oder her, er konnte sie überhaupt nicht leiden.
    Die Plakate sind schuld. Du kannst NIEMANDEN leiden, der solche Plakate in einem
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