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Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
Autoren: Ulrike Schweikert
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wäre sehr nett von dir«, fügte sie hinzu, da sich noch immer kein Lächeln auf Lorenas Gesicht zeigte, das ihr signalisierte, dass das unscheinbare Blondchen, nach dem sich auf der Straße ohnehin kein Mann umdrehen würde, doch gern am Freitag noch eine Weile im Büro blieb, um ihrer umwerfend attraktiven Kollegin ihren frühen Feierabend zu sichern.
    Lorena sah sich in dem ein wenig verächtlichen Blick ihrer Kollegin gespiegelt: eine Frau Ende zwanzig von unauffälliger Größe. Überhaupt passte »unauffällig« zu fast allem, was man über sie sagen konnte: Ihre Figur war weder schlank noch üppig, ihr Haar nicht richtig blond, ihre Augen zwar blau, aber nicht von dieser Strahlkraft, die einen Blick unvergesslich machten. Sie sprach meist leise und neigte im Gegensatz zu Alice weder zu Wutausbrüchen noch zu lautem Lachen. Selbst ihre Gewohnheiten, ja, ihr ganzes Leben schienen in den Augen ihrer Kollegin mit dem Wort »unauffällig« ausreichend beschrieben.
    Lorena biss die Zähne zusammen. Sie spürte, wie ein unbekannter Zorn in ihr aufstieg. Wie oft hatte sie dieses Spiel schon mitgemacht? Wie oft war sie am Abend hier in der Bank gesessen und hatte die Arbeit ihrer lieben Kollegen übernommen, damit diese zu irgendwelchen echten oder vorgetäuschten Dates gehen konnten?
    Heute nicht. Sie hatte genug!
    Lorena schob die rosa Zettel zurück und erhob sich. »Sorry, ich kann dir nicht helfen. Ich habe auch schon etwas vor«, log sie und unterdrückte beim Anblick von Alices ungläubiger Miene einen Seufzer. War es denn so unglaubwürdig, dass sie an einem Freitagabend eine Verabredung hatte?
    Darauf gab sie sich lieber keine Antwort. Mit energischen Bewegungen zog sie ihre dunkelblaue Kostümjacke an und klappte ihren Aktenkoffer zu.
    »Na, dann muss ich dir wohl viel Spaß wünschen«, schnappte Alice und rauschte mit ihrem Zettelstapel beleidigt davon.
    »Gut gemacht!«, kommentierte David, der ihr ebenfalls schon das ein oder andere Mal seine Arbeit aufgeladen hatte. »Mir kam schon öfter der Gedanke, dass du dich zu sehr ausnützen lässt.«
    Lorena lächelte schwach. Sie ging mit ihm zur Tür, wo sie sich noch einmal umdrehte und den anderen ein schönes Wochenende wünschte. Die meisten grüßten zurück. Außer natürlich Alice, die noch eine Weile schmollen würde. Tja, das war der Preis für den Widerstand.
    »Und? Hast du es eilig?«, erkundigte sich David, als sie im Aufzug zusammen hinunterfuhren.
    Lorena hob die Schultern. »Warum?«
    »Ich dachte, du möchtest mit uns vielleicht noch etwas trinken gehen.« Es sah sie freundlich an.
    Lorena versuchte, nicht zu sehr zu strahlen. Es kam nicht oft vor, dass die Kollegen sie fragten, ob sie mitkommen wollte, obwohl sie häufig nach Feierabend einen ihrer Lieblingspubs aufsuchten, vor allem an Tagen wie diesem, da es in London einmal nicht regnete.
    Nun zeigte sie ihre Freude doch und lächelte ihren Kollegen an, der sie um einen Kopf überragte. »Gern! So eilig habe ich es nicht, ich meine, ich habe noch etwas Zeit.« Sie brach ab. Sie wollte ihren Kollegen nicht mit der Lüge einer Verabredung beleidigen.
    »Gut!«, sagte er und erwiderte ihr Lächeln.
    Der Aufzug entließ sie und ein halbes Dutzend andere Mitarbeiter in die prächtige Eingangshalle, von wo sie sich mit dem Strom der Menschen durch die Drehtür nach draußen treiben ließen. Die Sonne stand tief am fast wolkenlosen Himmel und schnitt blendend grelle Streifen zwischen den Schatten der Häuser aus dem Straßenpflaster.
    Lorena warf noch einen Blick zurück auf den bereits ein wenig in die Jahre gekommenen Glaskasten, in dem die HSBC einige Stockwerke belegte. Die strahlend neue Zentrale funkelte draußen in der Canary Wharf mit dem Hochhaus der Citibank um die Wette, mit Barclays und Natwest, Morgen Stanley und Credit Suisse und all den anderen, die den großen Weltfinanzkuchen untereinander aufteilten. Die HSBC gehörte immerhin zu den fünfzig größten Unternehmen der Erde und zählte sich zu den wichtigsten Großbanken, dabei hatte das Unternehmen 1865 als Hongkong and Shanghai Banking Corporation ursprünglich zur Finanzierung des britischen Handels mit Fernost begonnen. Auf dem Höhepunkt des Welthandels mit den fernen Kolonien stieg das Unternehmen rasch zu einer der wichtigsten Banken auf.
    Lorena und David schlenderten die Straße entlang zum Leadenhall Market und schoben sich dann zwischen der Traube der Anzugträger, die sich bereits vor dem Pub versammelt hatten, bis
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