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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus
Autoren: D Koontz
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selbstbewusst auftrat? Zeuge hatte den Verdacht, dass es sich hier um einen Mann handelte, der nicht so leicht aus der Fassung zu bringen war.
    Zwei Wände des Zimmers nahmen Bücherregale ein, die vom Boden bis zur Decke reichten und mit Büchern vollgepackt waren. Die meisten waren juristische Bücher, über Fälle, die aufzeigten, wie die Gesetze auszulegen waren, und dicke Biografien bedeutender Persönlichkeiten in der Geschichte der amerikanischen Jurisprudenz.
    Ehrfürchtig ließ Zeuge eine Hand leicht über die Buchrücken gleiten. Dort, wo er herkam, gab es keine Gesetze, keine Anwälte, keine Richter, keine Geschworenen, keine Prozesse. Die Unschuldigen waren von einer brutalen Strömung des Glaubens an die Vorherrschaft des Primitiven fortgeschwemmt worden, durch den Glauben an die falschen Dinge, durch die Auflehnung gegen die Realität und die Erhebung idiotischer Überzeugungen in den Rang der alleinigen Wahrheit. Er hatte zu seiner Zeit viele Menschen getötet und war sich sicher gewesen, für das Blut, das er vergossen hatte, würde er nie zur Verantwortung gezogen werden. Dennoch hatte er Hochachtung vor dem Gesetz, ebenso wie ein Mensch, der in gottloser Verzweiflung lebt, die Idee eines Gottes, die er sich nicht zu eigen machen kann, wertschätzen könnte.

7 Apartment 2-A
    Das Unwetter war ein Geschenk. Der Text von »One Rainy Night in Memphis« brauchte eine Melodie mit Schwung, aber auch mit einem melancholischen Unterton, eine Kombination, die nicht leicht zu erreichen war, und schon gar nicht für Twyla Trahern. Der muntere Teil machte ihr keine Schwierigkeiten, aber Melancholie war für sie eine Erfahrung, die sie nur aus zweiter Hand kannte, etwas, was anderen Menschen widerfuhr, und obwohl sie bereits einige melancholische Songs geschrieben hatte, brauchte sie eine trübsinnige Atmosphäre, um sich inspirieren zu lassen. Mit ihrer Gitarre saß sie auf dem Hocker an einem Fenster des Arbeitszimmers ihrer Wohnung im ersten Stock des Pendleton, schaute in den Regen hinaus, der ihr so gelegen kam, auf die funkelnden Lichter der Großstadt in der vorzeitigen Abenddämmerung, die dem Tag durch die schweren Gewitterwolken aufgedrückt worden war, zupfte Töne und pro bierte auf der Suche nach dem Klang des Kummers verschiedene Akkorde aus.
    Sie komponierte zwar nicht immer so, doch diesmal nahm sie sich den Refrain zuerst vor, denn dort musste sich die Munterkeit besonders ausgeprägt zeigen. Sie arbeitete daran – die letzten Feinheiten würden am Klavier erfolgen – und ließ die Überleitung von acht Takten vorerst weg, denn die würde sie erst schreiben, nachdem sie die klaren Linien der Melodie aus dem Refrain extrapoliert hatte.
    Wie üblich hatte sie den Text zuerst verfasst, Vers um Vers, Strophe um Strophe, und jede Texteinheit geschliffen, bis sie glänzte und doch nicht zu glatt war. Schliff ohne Glätte war ein Ziel, das nicht leicht zu erreichen war. Viele Texter konnten einen ganzen Song auf einen Rutsch hinschreiben, obwohl sie wussten, dass einige Verse nicht gut genug waren und dass sie sich später damit befassen und sie umschreiben mussten, aber so konnte Twyla nicht arbeiten. Manchmal ließ es sich nicht vermeiden, dass sie an den Worten feilen musste, wenn die Melodie fertig war, damit die Synkopen stimmten und die Sil ben sich anmutig mit der Musik verbanden, aber über ein letztes Feilen ging es dann doch nie hinaus.
    Sie schrieb Countrymusic und sie wusste, worüber sie schrieb. Sie war die Tochter eines Farmers, der in der Rezession von 1980, als sie zwei Jahre alt gewesen war, seine Farm verloren hatte. Er hatte anschließend als Wartungsmechaniker in einem Kohlekraftwerk gearbeitet, die meiste Zeit über in fensterlosen Kammern, wo die Hitze über fünfzig Grad steigen konnte. Zehn Stunden am Tag, fünf und manchmal sogar sechs Tage in der Woche. Und dabei unablässig geschwitzt. Oft hatte er gefährliche Arbeiten ausgeführt, in verräucherter Luft, in der die feine Asche pulverisierter Kohle qualmte, die in einer ständigen kontrollierten Explosion verbrannt wurde. Winston Trahern ertrug seinen Job zweiundzwanzig Jahre lang, um seine Familie einzukleiden, zu ernähren und ihr einen gewissen Wohlstand zu bieten. Twyla hatte ihren Dad nie klagen hören, und er duschte immer nach seiner Schicht noch im Betrieb, sodass er frisch und sauber aussah, wenn er nach Hause kam. Als Twyla zweiundzwanzig war, explodierte im Kraftwerk ein Kohlebrecher und tötete ihren Vater und
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