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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter
Autoren: Petros Markaris
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die Wohnungstür ins Schloß fällt.
    »Sie müssen nun auch gehen, Frau Kousta«, sage ich zu Elena. »Wir sind verpflichtet, die Wohnung zu versiegeln.«
    »Fahren Sie jetzt zu Makis?«
    »Ja, um die Sache abzuschließen.«
    Sie blickt mich an. »Darf ich mitkommen?« stammelt sie schüchtern.
    »Wozu?«
    Sie seufzt. »Makis braucht Wäsche. Es gibt doch niemanden, der sie ihm zusammensuchen kann. Und in seiner Verfassung kann er das nicht selbst übernehmen.« Sie bemerkt mein Zögern. »Ich bitte Sie«, fleht sie.
    Was ist aus Elena Frangaki mit dem üppigen Busen und dem Theatervorhang um die Beine geworden? Elena Kousta ist eine Mutter, die sich um ihre Brut sorgt – um einen behinderten Sohn und zwei angenommene Kinder, die ihren Vater getötet haben.
    »Kommen Sie.«
    »Vielen Dank«, sagt sie schlicht.

58
    I mmer wenn ein Fall abgeschlossen wird, steigen die einen als Gewinner aus, und die anderen werden zur Kasse gebeten. Ich steige als Gewinner aus, weil ich die drei Morde aufgeklärt und zwei der drei Täter gestellt habe. Aber den Leuten, die mich zurückhalten wollten, bleibe ich ein Dorn im Auge. Gikas steigt als Gewinner aus, weil beide Fälle ohne großes Aufsehen abgeschlossen werden und keine Gründe für Verschleierungsmanöver vorliegen. Die beiden Parlamentsabgeordneten steigen als Gewinner aus, weil sie mit dem Mord an Koustas nicht unmittelbar zu tun haben, demnach nirgendwo erwähnt werden und weiterhin die Fernsehsender heimsuchen und ihren Beliebtheitsgrad messen lassen können. Niki steigt als Gewinnerin aus, wenn man ihr Verhalten sorgfältig abwägt und weil sie alles auf ihren Bruder abwälzt. Am nachhaltigsten wird Makis zur Kasse gebeten, der nicht nur den Vorwurf des Mordes aufgebürdet bekommt, sondern sogar des vorsätzlichen Mordes. Und auch Elena muß zahlen: Ihre Welt liegt in Trümmern, und sie hetzt vom Gefängnis zur Gerichtsverhandlung und von dort zu ihrem behinderten Sohn.
    All das geht mir durch den Sinn, als ich den Vouliagmenis-Boulevard entlangfahre. Dermitzakis sitzt am Steuer, während die Kousta und ich auf dem Rücksitz des Streifenwagens Platz genommen haben.
    »Vorgestern haben Sie gesagt, ich sei nicht in Gefahr.« Ich schrecke hoch, als ich ihre Stimme höre. »Glauben Sie das wirklich, oder haben Sie es nur gesagt, um mich zu beruhigen?«
    »Ich glaube, daß Sie nicht unmittelbar gefährdet sind.«
    »Was mache ich aber, wenn die … die Geschäftspartner meines Mannes auftauchen und ihr Geld wollen? Ich weiß nicht, wieviel er ihnen schuldig war. Wenn sie mich bedrohen, können Sie mich da beschützen?«
    »Was sagst du, Dermitzakis?«
    »Machen Sie Witze, Herr Kommissar?«
    Das würde ich auch so formulieren, doch ich wollte es ihm in den Mund legen. Hätte ich es ausgesprochen, dann kann man nicht wissen, bis zu wessen Ohren gedrungen wäre, daß ich die Polizei für unfähig halte, die Bürger zu schützen.
    »Die haben viel mehr Mittel und sind besser bewaffnet als die Polizei, Frau Kousta«, erkläre ich. »Darüber hinaus gelten für uns Gesetze und Verordnungen, die uns die Hände binden.«
    »Und was raten Sie mir?«
    Ich denke kurz nach. »Liegt Ihnen daran, das Vermögen Ihres Mannes zu behalten?« frage ich.
    »Nur am Canard Doré liegt mir etwas, ich würde es gerne weiterführen.«
    »Dann verkaufen Sie doch alles andere und tragen das gesamte Geld auf die Bank. Wenn irgendwann die Partner Ihres Mannes auftauchen, übergeben Sie ihnen die Summe und haben Ihre Ruhe.«
    »Sie haben recht, so mache ich es.«
    Sie versucht mich anzulächeln, doch ihre Augen stehen voll Tränen. So lange schon schlucke ich eine Frage hinunter, doch sie liegt mir auf der Zunge.
    »Niki hat den Mord an ihrem Vater geplant«, sage ich. »Makis war nur das ausführende Organ. Es kann nicht sein, daß Sie nicht gemerkt haben, daß sie alles auf ihren Bruder abwälzt, um ihre Haut zu retten. Und dennoch haben Sie ihr angeboten, ihr zu helfen. Warum tun Sie das? Ist Makis nicht mehr als einen Koffer voll Kleider wert? Alles andere geht für Niki drauf?«
    Sie seufzt und verharrt kurz in ihrem Schweigen. »Sie haben alle drei meiner Kinder kennengelernt, Herr Kommissar«, sagt sie dann. »Das eine leibliche und die beiden angenommenen. Wenn Sie sie auf offener See mit den Wellen kämpfen sehen würden und nur einen Rettungsreifen hätten, wem würden Sie ihn zuwerfen?«
    Seit dem ersten Tag unserer Bekanntschaft verfügt diese Frau über die Fähigkeit, mir den Mund zu
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