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Nachtfalter

Nachtfalter

Titel: Nachtfalter
Autoren: Petros Markaris
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doch dann lacht sie auf.
    »Also wirklich! Entweder lassen Sie mich abführen, oder Sie tauchen mit einem ganzen Trupp auf, Herr Kommissar. Kommen Sie herein.«
    Sie führt uns in ein spärlich eingerichtetes Wohnzimmer, mit zwei Sesseln, einem Glastischchen und einigen auf dem Boden verstreuten Sitzpolstern, die mit Sicherheit ein Rückenleiden verursachen. In einer Ecke steht ein Fernsehgerät mit einem riesigen schwarzen Bildschirm.
    Elena Kousta sitzt auf einem Sessel. Ihr Gesicht ist bleich, die Augen sind vom Weinen verquollen. »Sie schon wieder, Herr Kommissar?« sagt sie müde. »Niemandem war so viel an meinem Mann gelegen wie Ihnen. Ich frage mich, ob er Ihr posthumes Interesse verdient hat.«
    »Das ist das Schicksal der Polizeibeamten, Frau Kousta. Sich um Leute zu kümmern, an denen sonst niemandem etwas liegt. Würden Sie uns bitte allein lassen?«
    »Nein, sie soll bleiben«, fährt Niki dazwischen. »Außerdem weiß sie alles, was auch Sie wissen. Es hat keinen Sinn, etwas zu verheimlichen.«
    Vlassopoulos und Dermitzakis beäugen die Sitzpolster und ziehen es vor, stehenzubleiben. Ich ebenso. Niki bemerkt meine Verlegenheit, nimmt auf einem Sitzpolster Platz und überläßt mir ihren Sessel.
    »Wo waren Sie am Abend, als Ihr Vater getötet wurde?« frage ich sie.
    »Hier, bei mir zu Hause, mit Makis. Das habe ich Ihnen beim ersten Mal gesagt, als Sie mich danach fragten.«
    »Den ganzen Abend über?«
    »Ja.«
    »So ganz kann das nicht stimmen. Makis war bei Ihnen, doch Sie sind nicht den ganzen Abend zu Hause geblieben.«
    Sie wirft mir einen Blick zu und gibt sofort klein bei. »Ja, wir sind kurz rausgegangen. Makis fühlte sich nicht wohl, und wir sind spazierengegangen, damit ihm besser wird.«
    »Wieso haben Sie mir das nicht beim ersten Mal gesagt, als ich Sie danach fragte?«
    »Weil Makis gerade aus dem Entzug kam. Ich wollte nicht, daß Sie glauben, er nehme noch immer Rauschgift. Die Polizei hat für Fixer nicht viel übrig.«
    Ich mustere sie. Sie scheint ganz ruhig zu sein.
    »Sie sind nicht spazierengegangen, Niki. Sie haben sich auf ein gestohlenes Motorrad der Marke Yamaha gesetzt und sind zum Rembetiko gefahren, wo Makis Ihren Vater erschossen hat. Der Plan stammte von Ihnen. Makis steht permanent unter Drogen, er ist nicht imstande, einen solchen Plan auszuhecken. Seit der Ermordung von Christos Petroulias waren Sie entschlossen, sich an Ihrem Vater zu rächen. Deshalb haben Sie die Aufnahmen gemacht. Sie sind nach Athen zurückgekehrt, haben Ihr Haar geschnitten und gefärbt und einige Zeit verstreichen lassen, bis man sich an Ihr neues Aussehen gewöhnt hatte. Und dann haben Sie zugeschlagen. Nur, daß Sie Ihren Plan nicht im Alleingang ausführen konnten, Sie brauchten einen Mittäter. Und wo hätten Sie einen geeigneteren gefunden als Makis? Auch er haßte seinen Vater. Er gab ihm kein Geld, er ließ ihn nicht Fußball spielen, er überließ ihm keinen seiner Nachtklubs … Er schlug ihm alle Türen vor der Nase zu. Ihr Plan kam ihm gerade recht. Er konnte sich an seinem Vater rächen und gleichzeitig all das erreichen, was er so lange entbehrt hatte … Geld … Nachtlokale … alles, was sein Herz begehrte …«
    Elena ist aufgesprungen und betrachtet mich mit vor Grauen verzerrtem Gesicht. »Was Sie sagen, ist nicht wahr«, sagt sie entsetzt. »Nichts von alledem ist wahr.«
    »Laß ihn ausreden, Elena.« Niki ist nach wie vor ruhig und lächelt.
    »Zunächst habt ihr ihm die beiden Fotografien zugeschickt. Ihr wolltet ihn in dem Glauben lassen, es handle sich um eine Erpressung. Deswegen hatte er die fünfzehn Millionen in der Tatnacht bei sich, doch ihr wart nicht auf das Geld aus. Ihr würdet ihn ohnehin beerben. Ihr habt das so eingefädelt, um ihn ohne seine Schlägertypen aus dem Nachtlokal zu locken. Makis versteckte sich in der Nähe des Rembetiko, und Sie blieben ein Stück entfernt mit laufendem Motor stehen. Koustas trat zur verabredeten Stunde allein vor das Lokal. Er beugte sich in den Wagen, um das Geld zu holen. Makis kam aus der Dunkelheit auf ihn zu. Er sprach ihn an, worauf sein Vater sich umdrehte, und schoß dann viermal auf ihn. Dann machte er kehrt, sprang auf das Motorrad, und ihr seid zusammen davongerast. Es war ein ausgeklügelter Plan, zugegeben. Ihr Vater besaß Nachtklubs, und man würde davon ausgehen, daß er sich mit Rotlichtbaronen angelegt hatte und daß sie ihn kaltgemacht hätten. Mir aber ging von Anfang an etwas gegen den Strich.
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