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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper
Autoren: Glen Cook
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ihn so weit einschüchtern, daß er ihm die Lilie über- schrieb. Die Kneipe war nichts Besonderes, aber sie war ganz sicher mehr wert, als er ihm schuldig war. Krage würde sie für den mehrfachen Betrag seiner Investition weiterverkaufen. Oder sie zum Hurenhaus umbauen. Und Marron Shed und seine Mutter saßen dann auf der Straße, während das Todeslachen des Winters ihnen in die Gesichter heulte. Bringe jemanden um, hatte Krage gesagt. Raub jemanden aus. Shed erwog beides. Er würde alles tun, um die Lilie zu behalten und seine Mutter zu beschützen. Wenn er doch nur richtige Kunden bekäme! Er hatte nichts außer Zechprellern und Habe- nichtsen. Er brauchte Stammkunden aus dem Ort. Aber vorher würde er die Kneipe re- novieren müssen. Und das konnte er nicht ohne Geld. Asa schob sich durch die Tür. Blaß und verängstigt schlurfte er zur Theke. »Hast du schon wieder Holz aufgetrieben?« fragte Shed. Der kleine Mann schüttelte den Kopf und schob zwei Gersh über die Theke. »Gib mir was zu trinken.«
Shed fegte die Münzen in seine Kiste. Man fragte nicht nach der Herkunft von Geld. Schließlich hatte es auch kein Gedächtnis. Er goß einen Becher voll. Asa griff gierig danach. »Oh, nein«, sagte Shed. »Erzähl mir davon.« »Komm schon, Shed. Ich habe dich bezahlt.« »Stimmt schon. Und ich liefere auch, wenn du mir sagst, warum du so fertig bist.« »Wo ist dieser Raven?«
»Oben. Schläft.« Raven war die ganze Nacht unterwegs gewesen. Asa zitterte stärker. »Gib es her, Shed.« »Rede.«
»In Ordnung. Krage und Red haben mich geschnappt. Sie wollten etwas über Raven wis- sen.«
Nun wußte Shed, wie Asa an das Geld gekommen war. Er hatte versucht, Raven zu verkau- fen. »Erzähl mir mehr.«
»Sie wollten nur etwas über ihn wissen.«
    »Was wollten sie wissen?«
»Ob er je ausgeht.«
»Warum?«
Asa zögerte. Shed zog den Becher zurück. »Schon gut. Sie hatten zwei Männer losgeschickt, die ihn beschatten sollten. Sie sind verschwunden, und niemand weiß etwas. Krage ist wü- tend.« Shed gab ihm den Wein. Er nahm einen Schluck. Shed sah zur Treppe und erschauerte. Vielleicht hatte er Raven unterschätzt. »Was hat Kra- ge über mich gesagt?«
»Könnte noch einen Becher vertragen, Shed.« »Du kriegst gleich einen Becher. Über den Schädel.« »Ich brauche dich nicht, Shed. Ich habe Verbindungen geknüpft. Ich kann jederzeit drüben bei Krage schlafen.«
Shed grunzte und ließ sein Gesicht zur Maske erstarren. »Du hast gewonnen.« Er goß Wein nach.
»Er will dich aus dem Geschäft haben, Shed. Egal mit welchen Mitteln. Er ist zu dem Schluß gekommen, daß du mit Raven unter einer Decke steckst.« Ein böses kleines Lächeln. »Er kann sich bloß nicht vorstellen, woher du den Mumm genommen hast, um ihn abzuschüt- teln.«
»Das stimmt nicht. Mit Raven habe ich nichts zu tun, Asa. Das weißt du auch.« Asa genoß den Augenblick. »Das habe ich Krage zu sagen versucht, Shed. Davon wollte er nichts hören.«
»Trink deinen Wein aus und verschwinde, Asa.« »Shed?« Das alte Winseln war in Asas Stimme zurückgekehrt. »Du hast mich verstanden. Raus. Geh zu deinen neuen Freunden zurück. Warte ab, wie lan- ge du für sie noch von Nutzen bist.«
»Shed!…«
»Sie werden dich wieder auf die Straße setzen, Asa. Gleich neben mich und Mama. Raus jetzt, du Blutsauger.«
Asa stürzte seinen Wein herunter und floh mit eingezogenem Kopf hinaus. Er hatte die Wahrheit in Sheds Worten geschmeckt. Seine Verbindung mit Krage würde zerbrechlich und kurz sein.
    Shed versuchte, Raven zu warnen. Raven ignorierte ihn. Shed putzte seine Becher, beobachte- te Raven, wie er sich mit Darling im Schweigen der Zeichensprache Wortgefechte lieferte,
    und versuchte sich vorzustellen, wie er in der Oberstadt einen Treffer landen konnte. Für ge-
wöhnlich verbrachte er diese frühen Tagesstunden damit, Darling gierig anzustieren, aber in letzter Zeit hatte die schiere Angst vor der Straße seine übliche Geilheit abgelöst. Von oben erklang ein Schrei wie der eines abgestochenen Schweines. »Mutter!« Als er hin- aufrannte, nahm Shed zwei Stufen auf einmal. Seine Mutter stand im Eingang zum großen Kojenraum und keuchte. »Mama? Was ist los?« »Da drin liegt ein toter Mann.«
Sheds Herz pochte. Er drängte sich in das Zimmer. Drinnen lag ein alter Mann in der unte- ren rechten Koje.
Letzte Nacht waren nur vier Kojenraumkunden hier gewesen. Sechs Gersh pro Kopf. Der Raum war sechs Fuß breit und zwölf Fuß lang; vierundzwanzig
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