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Nacht über Juniper

Titel: Nacht über Juniper
Autoren: Glen Cook
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zurecht und drückte mich darauf nieder. Er war mein be- ster Freund, ein drahtiger, alter, harter Knochen, der sich nur selten düsteren Stimmungen hingab. Blut färbte seinen linken Ärmel rot. Ich versuchte aufzustehen. »Bleib sitzen«, befahl er. »Darum kann sich Tasche kümmern.«
Tasche war mein Lehrling, ein Jüngelchen von dreiundzwanzig Jahren. Die Schar wird im- mer älter – zumindest im Kern, meinen Jahrgängen. Elmo ist über fünfzig. Der Hauptmann und der Leutnant haben ebenfalls zum fünften Mal genullt. Und ich werde auch nicht mehr vierzig werden. »Habt ihr alle erwischt?« »Die meisten.« Elmo setzte sich auf einen anderen Stuhl. »Einauge und Goblin und Schwei- ger sind hinter denen her, die geflohen sind.« Seine Stimme klang ausdruckslos. »Gleich beim ersten Mal haben wir die Hälfte aller Rebellen in der Provinz einkassiert.« »Wir werden zu alt für das hier.« Die Männer brachten jetzt Gefangene herein und siebten die Leute heraus, die vielleicht etwas Nützliches wußten. »Diese Arbeit sollten wir den Jun- gen überlassen.«
»Das schaffen die nicht.« Er starrte ins Nichts, zum Lange-her-und-weit-entfernt. »Stimmt was nicht?«
Er schüttelte den Kopf und strafte sich sogleich Lügen. »Was machen wir hier eigentlich, Croaker? Hört es denn nie auf?«
Ich wartete. Weiter sagte er nichts. Er spricht nicht viel. Schon gar nicht über Gefühlssa- chen. Ich hakte nach. »Was meinst du damit?« »Es geht immer nur weiter und weiter. Die Jagd auf die Rebellen. Die gehen einfach nicht aus. Selbst damals, als wir für den Syndikus von Beryll gearbeitet haben. Da haben wir Jagd auf Dissidenten gemacht. Und vor Beryll… Sechsunddreißig Jahre lang immer das gleiche. Und nicht einmal war ich mir sicher, daß ich das Richtige tue. Besonders jetzt.« Offenbar hatte sich Elmo seine Vorbehalte acht Jahre lang aufgespart, bevor er ihnen Luft
    machte. »Wir sind nicht in der Lage, daran etwas zu ändern. Der Lady würde es nicht passen,
wenn wir ihr auf einmal sagen, wir machen nur dieses und jenes, und das da machen wir nicht.«
Der Dienst für die Lady ist bisher nicht schlecht gewesen. Wir kriegen zwar die schwierig- sten Aufträge, aber wir müssen nie die Dreckarbeit machen. Die ist für die Regulären be- stimmt. Manchmal schon den einen oder andern Präventivschlag. Gelegentlich ein Massaker. Aber das gehört zum Geschäft. Militärische Notwendigkeit. Wir hatten uns nie in Greueltaten verwickeln lassen. Das hätte der Hauptmann nicht erlaubt. »Um die Moral geht es nicht, Croaker. Was ist in einem Krieg schon moralisch? Überlegene Stärke. Nein. Ich bin bloß müde.«
»Ist kein Abenteuer mehr, he?«
»Das ist es schon lange nicht mehr. Es ist zu einem Beruf geworden. Zu etwas, das ich ma- che, weil ich nichts anderes kenne.«
»Etwas, das du sehr gut machst.« Das war zwar wenig hilfreich, aber mir fiel nichts Besseres ein.
Der Hauptmann trat ein, ein schwankender Bär, der die Verwüstung mit kaltem Blick mu- sterte. Er kam zu uns. »Wie viele haben wir erwischt, Croaker?« »Wir sind noch nicht mit dem Zählen fertig. Ich schätze mal, die meisten von ihrer Füh- rungsriege.«
Er nickte. »Bist du verletzt?«
»Ausgelaugt. Körperlich und vom Gefühl her. Hab schon lange nicht mehr solche Angst ge- habt.«
Er stellte einen Tisch zurecht, zog sich einen Stuhl heran und holte eine Tasche mit Landkar- ten hervor. Der Leutnant setzte sich zu ihm. Später brachte Candy Madle heran. Irgendwie hatte der Schankwirt alles überlebt.
»Unser Freund hat ein paar Namen für dich, Croaker.« Ich strich meinen Zettel glatt und die Namen durch, die Madle mir nannte. Die Scharführer teilten nun Gefangene für Grabarbeiten ein. Müßig fragte ich mich, ob sie begriffen, daß sie ihre eigenen Ruhestätten aushoben. Kein Rebellensoldat wird begnadigt, es sei denn, wir können ihn unwiderruflich in den Dienst der Lady einschreiben. Madle schrie- ben wir ein. Wir lieferten ihm eine Geschichte, die sein Überleben erklärte, und löschten alle aus, die ihn Lügen strafen konnten. In einem Anfall von Großmut ließ Candy sogar die Lei- chen aus seinem Brunnen entfernen.
Schweiger kehrte mit Goblin und Einauge zurück. Die beiden kleineren Zauberer tauschten ätzende Bemerkungen aus. Wie immer. An den Anlaß des Streites erinnere ich mich nicht. Der war auch nicht wichtig. Der Streit war alles, und er war schon Jahrzehnte alt. Der Hauptmann warf ihnen einen säuerlichen Blick zu und fragte den Leutnant:
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