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Nacht des Ketzers

Nacht des Ketzers

Titel: Nacht des Ketzers
Autoren: Andreas Weinek
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Mönche zu erledigen, hatte er Ausschau gehalten nach Frauen, die bettelnd am Straßenrand saßen und dem Alter nach seine Mutter hätten sein können. Geekelt hatte es ihn manchmal vor den schmutzigen Weibern, die da im Dreck lagen, manche davon betrunken, nach Urin und Kot stinkend. Aber dennoch waren die Neugierde und die Sehnsucht, vielleicht doch noch irgendwo seine Mutter zu finden, größer als der Abscheu. Auch durch die engen Gassen, in denen die Huren ihre Körper feilboten, trieb es ihn manchmal. Das Gejohle war jedes Mal groß, und jede versuchte mit aufreizenden Posen die Aufmerksamkeit des jungen Mönches auf sich zu ziehen. „Monachello, Monachello“, riefen sie und kicherten dabei wie kleine Mädchen. Die kecksten entblößten ihre Brüste, was Guiseppe nur aus dem Augenwinkel wahrnahm. Die Kutte geschürzt, mit hochrotem Kopf, versuchte er, auf glatten Ledersohlen über das abschüssige Steinpflaster laufend nicht auszurutschen. Er musste sich eingestehen, dass ihm das alles auch ein wenig gefiel. Aber er verfiel danach meist in eine tiefe Depression ob seiner unkeuschen Gedanken, die ihm regelmäßig eine ihn irritierende Erektion bescherten, und er erlegte sich daraufhin oft wochenlange strenge Bußexerzitien auf, um sich von seinen Sünden zu reinigen.
    Nach etwa zwei Stunden Wanderung, als Giordano den Weg westlich des Vesuvs einschlug, wurde Guiseppe plötzlich klar, wohin dieser wollte. Oft und gern hatte er von seinem Elternhaus erzählt, und er war stolz darauf, dass seine Mutter als Einzige in der Umgebung lesen und schreiben konnte und es ihm, dem kleinen wissbegierigen Jungen, schon früh beigebracht hatte. Guiseppe wusste natürlich auch von dem kleine Örtchen Nola, und wohin sonst sollte Giordano unterwegs sein? Er hatte in all den Jahren nie über ein Ziel südlich Neapels gesprochen. Nach Norden, ja. Florenz, Venedig, Mailand, Turin, alles Orte, wo er auf verständige Brüder im Geiste zu treffen gehofft hatte. Aber im Süden? Nein. Ganz bestimmt war sein Ziel Nola. Oft hatte er davon erzählt, dass reiche Bürgerfamilien aus Neapel und Florenz oder gar aus Rom die Stadt zu ihrem Landsitz erkoren hatten. Als kleiner Junge durfte er mit den Kindern einer Kaufmannsfamilie, die sein Vater mit Zitronen und Wein belieferte, spielen. Die Familie hatte sich schon um seine Mutter gekümmert, als diese noch ein kleines Mädchen war. Ausnahmsweise und als einziges Kind in der Umgebung hatte sie dem Unterricht, den die Kinder der Familie von einem Hauslehrer erhielten, still in eine Ecke gekauert, lauschen dürfen, und dorthin, nach Nola, würde er, Guiseppe, ihm folgen und auf eine günstige Gelegenheit warten, ihn umzustimmen, um dann mit ihm nach Neapel zurückzukehren. Bestimmt würde ihn die Begegnung mit der geliebten Mutter milde stimmen, und vielleicht gelang es den beiden ja gemeinsam, den Verirrten zur Umkehr zu bewegen. Wenn nicht, würde er keine Sekunde zögern, die von ihm erwarteten Maßnahmen zu ergreifen, dessen war sich Guiseppe sicher.

Kapitel 8
    1. Februar 1596
     
    „Nun, Monsignore, welche List habt Ihr Euch diesmal für unseren hartnäckigen Burschen ausgedacht?“ Beccaria kam dem Kardinal fröhlich gelaunt entgegen. Seine Augen leuchteten und schienen wie bei einer Unke die Höhlen verlassen zu wollen. Sein Doppelkinn schwabbelte bei jeder Bewegung. Hinter ihm im Speisesaal hatten Bedienstete bereits allerlei Köstlichkeiten aufgetan. Konfitüren aus Umbrien, Butter von den Bauern aus den umliegenden Bergen – und es roch nach Kaffee. Ein eigentümliches, stimulierendes Getränk, das erst vor kurzem seinen Weg nach Italien gefunden hatte und bei Adel und Klerus gleichermaßen beliebt war. Bellarmin mochte den Geistlichen nicht. Immer hatte er das Gefühl, er führe etwas gegen ihn im Schilde. Der Leibesumfang des Ordensgenerals war noch beträchtlicher als sein eigener, und man sah ihm deutlich an, dass er den weltlichen Genüssen nicht eben enthaltsam gegenüberstand. Er überlegte kurz, ob er Beccaria, der gut eineinhalb Köpfe kleiner war als er, an seinem Vorhaben teilhaben lassen sollte, Bruno nochmals dazu zu bringen, seine Theorie über die Unendlichkeit des Kosmos darzulegen. Denn nur diese Unendlichkeit würde der Allmacht Gottes gerecht, hatte Bruno immer wieder verkündet. Bellarmin aber würde mit der Bibel kontern, die sehr wohl von einem Schöpfungsakt, also von einem Anfang und auch von einem Ende, sprach. Er wollte eben etwas sagen, als nun auch
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