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Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume
Autoren: A Michaelis
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eigentlich auch dort sein. Ich werde ihm einen Brief schreiben. Ich möchte nicht mehr mit ihm sprechen.«
    Er sah sich noch einmal um. »Habe ich alles?«
    »Alles außer den Tischen und Stühlen«, sagte Lisa. »Komm jetzt.«
    Als sie die Pakete in Lisas Auto gestopft hatten, fiel Kahlhorst ein, dass er vergessen hatte, sich von der Sekretärin zu verabschieden. Sicher saß sie wie immer auf ihrem Bürostuhl und kochte Kaffee.
    Auf dem Weg hörte Kahlhorst Stimmen aus einem der Räume im ersten Stock. Vermutlich die Konferenz. Er blieb einen Moment stehen, um zu lauschen.
    »… braucht man sich keine Sorgen zu machen«, sagte Bruhns gerade. »Es war ein altes Haus, und es war nur eine Frage der Zeit, wann es einstürzen würde. Ich habe mit der Polizei gesprochen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass es nicht von selbst in sich zusammengebrochen ist. Kehren wir also zur Tagesordnung zurück.«
    »Stimmt es«, fragte die Stimme der Mathe-Ziesel, »dass Sie dort früher gewohnt haben?«
    »Zurück zur Tagesordnung«, wiederholte Bruhns. »Ich habe nicht viel Zeit.«
    »Die ersten Klassenarbeiten werden alle hervorragend ausfallen, Herr Direktor«, sagte Sport-Fyscher. »Wie jedes Jahr. Auch in der Klasse 7 b haben wir nach dem Weggang des Schülers F. Lachmann wieder einen Notendurchschnitt von 1,4.«
    »Gut«, sagte Bruhns. »Ich denke, es gibt keine weiteren dringenden Fragen an mich. Ich werde hier nicht mehr gebraucht. Herr Fyscher, würden Sie so freundlich sein, den Vorsitz der Konferenz jetzt zu übernehmen? Ich habe noch etwas Wichtiges vor. Ich wünsche den Herrschaften einen schönen Tag.«
    Kahlhorst trat einen Schritt zurück, doch er war nicht schnell genug. HD Bruhns stieß vor der Tür beinahe mit seinem Bauch zusammen. Während hinter ihm die Tür zufiel, schüttelte Bruhns sich irritiert, als wäre etwas Ekelerregendes auf ihm gelandet; ein ungewaschener Mistkäfer oder dergleichen.
    »Herr Kahlhorst! Was tun Sie hier draußen? Sollten Sie nicht da drinnen sitzen?«
    »Ich – äh …« Kahlhorst nahm seinen ganzen Mut zusammen. Er konnte es ebenso gut gleich hinter sich bringen. »Ich gehe.«
    »Sie … gehen?« Bruhns war jetzt auf dem Weg den Flur entlang, und Kahlhorst folgte ihm. »Wohin?«
    »Oh, ganz. Ich gehe.«
    »Ich begreife nicht.«
    »Ja, ich … eigentlich wollte ich es Ihnen schriftlich … ich dachte …«
    Bruhns blieb stehen. »Herr Kahlhorst. Kommen Sie zur Sache. Ich habe keine Zeit.«
    »Wohin gehen Sie denn?«
    »Ich? Ich dachte, es geht darum, wohin Sie gehen.«
    Kahlhorst merkte, wie das Gespräch sich verhedderte. Und plötzlich drängten sich Worte in seinen Mund, die er nicht vorgehabt hatte zu sagen.
    »Sie haben das Abrisshaus gesprengt«, sagte er.
    Bruhns’ Blick gerann wie Eiweiß in Zitronensaft. »Ich habe was? «
    »Das Abrisshaus gesprengt. Ich weiß es. Ich habe das Paket aus dem Schrank genommen und es dorthin gebracht.«
    Sollte er ihn ruhig hinausschmeißen! Er ging ja sowieso. Auf einmal fühlte Kahlhorst sich wunderbar. Er sah Lisa am Ende der Treppe auftauchen und verwirrt stehen bleiben. Hoffentlich hörte sie, wie er Bruhns jetzt all diese Dinge ins Gesicht sagen würde. Die Federn auf seinem Rücken spreizten sich und er sammelte die Luft unter seinen Schwingen.
    »Sie haben das Paket?«
    »Ja.«
    Bruhns sah auf die Uhr, ungeduldig. »Sie reden Unsinn. Ich habe es eilig.«
    »Das ist mir egal«, hörte Kahlhorst sich selbst sagen. »Oder – ist es nicht. Ich kann mir ohnehin denken, wohin Sie wollen. Man hört so einiges.«
    Er sah, wie Lisa den Kopf schüttelte.
    »Sag es nicht!«, hieß das. »Lass es. Komm.«
    Aber jetzt war er richtig in Fahrt. »Sie haben vielleicht gewonnen«, fuhr er fort, »und werden die Fabrikhalle und alle Träume darin in die Luft sprengen. Aber glauben Sie nicht, dass es niemanden gibt, der das weiß. Es gibt eine Menge Leute. Und wir werden es nicht vergessen.«
    »Sie reden Unsinn«, wiederholte Bruhns. »Hören Sie sich mal selbst zu, Kollege Kahlhorst! Was würde die Polizei zu diesem Gequassel sagen? Fabrikhalle voller Träume. Lächerlich.« Er schüttelte den Kopf. »Ich muss jetzt wirklich los.«
    Bruhns versuchte, sich an Kahlhorst vorbeizuschieben. Aber Kahlhorsts Bauch war ihm im Weg.
    Ich schinde Zeit , dachte Kahlhorst. Warum schinde ich Zeit? Für wen? Frederic ist nicht mehr da …
    Er nahm seinen Bauch beiseite, ließ Bruhns durch. Kahlhorsts Flügel falteten sich wieder ein, sein Hochgefühl legte
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