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Nacht der Begierde (Geraldine Guthrie) (German Edition)

Nacht der Begierde (Geraldine Guthrie) (German Edition)

Titel: Nacht der Begierde (Geraldine Guthrie) (German Edition)
Autoren: Bettina Fizek
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den kleinen Besuchertisch. Es gab Krabben und Meeresfrüchte in einer würzigen Kokossauce, dazu Süßkartoffeln und einen Salat aus Wildkräutern. Von dem Krankenhausaufenthalt ihrer Großmutter wusste Geraldine, dass dies das typische Sonntagsessen war. Über die Woche hinweg war das Essen etwas gewöhnlicher. Sie aß mit gutem Appetit, vor allem, da es köstlich war. Hunger hatte sie eigentlich keinen.
    * * *
    Es wurde Abend. Geraldine klickte auf ihrem Handy die neuesten Nachrichten durch und horchte nebenbei. Hatte sie zu Beginn ihr geschärftes Gehör auf eine Auswirkung des Traumas geschoben, akzeptierte sie es jetzt als real, wenn auch mit leichter Verwunderung. Auch die anderen Veränderungen an sich nahm sie jetzt leichter.
    Geraldine telefonierte noch mit ihrer Großmutter und ließ sich das Versprechen abringen, gleich am nächsten Morgen mit Jaclyn zu ihr zu kommen. Wie immer war ihre Großmutter herzlich, aber den beunruhigten Unterton in ihrer Stimme nahm Geraldine doch wahr.
    Dann ging die Sonne unter. Geraldine stand gerade am Fenster, als die letzten goldenen Strahlen hinter dem Horizont versanken. Unwillkürlich erfasste sie ein Schaudern. Und seltsamerweise wurde die Umgebung nicht dunkler, sondern heller. Noch gestern Abend hatte sie den Wechsel von dem orangenen Licht des frühen Abends zu dem blaugoldenen der Dämmerung bewundert. Doch heute war alles anders. Die Farben wurden etwas blasser, als hätte sich eine feine Milchglasscheibe über die Welt gelegt. Aber alles wurde deutlicher. Der Park, der so klein erschien, rückte dichter heran; selbst jenseits des Parks konnte sie in den Häusern sehen, wie sich Menschen bewegten.
    Im nächsten Moment passierten mehrere Sachen gleichzeitig.
    Geraldine schwindelte, aber es war nicht dieser Anfall, den sie nachmittags gehabt hatte. Eher hatte sie das Gefühl, dass etwas von ihr Besitz ergriff und ihr eigenes Bewusstsein aus dem Körper verdrängte. Sie hatte den Eindruck, dass der Schwindel entstand, weil sie sich gegen dieses Besitzergreifen wehrte. Zugleich spürte sie plötzlich einen großen Hunger in sich. Geraldine kam sich ganz ausgemergelt vor. Einen Moment schoss ihr das Bild von einem Waschbären durch den Kopf, den sie vor Jahren aus einem Haus befreit hatte. Der arme, kleine Kerl hatte so lange keine Nahrung zu sich genommen, dass er Geraldine angefallen und in den Arm gebissen hatte.
    Der Hunger machte sie rasend. Es schien ihr, als fände draußen auf dem Gang ein Festessen statt, zu dem sie nicht eingeladen war. Die Herzen der Menschen klopften, als würden Essensglocken läuten.
    Ein Schatten aus Trauer und Wut wuchs in ihrer Brust. Sie fühlte sich plötzlich allein und verlassen, aber irgendetwas sagte ihr auch, dass ein Freund auf sie wartete. Nur schwach registrierte Geraldine, dass ihr Gedächtnis das Wort Freund mit einigem Widerwillen ausspuckte. Das Gefühl, dass sie in diesem Moment hatte, roch nach Tod. Und noch ein anderes Gefühl drängte sich in dieses ganze Wirrwarr, eine andere Wut und eine Besorgnis; Geraldine nahm Notiz von diesen Eindrücken, als sei sie eine Radiostation, die keinen eigenen Willen hatte.
    Draußen, auf der Station, waren Schreie zu hören.
    Sie drehte sich vom Fenster weg, stolperte, fing sich aber wieder und eilte zur Tür. Kaum hatte sie diese geöffnet, drang ihr der süßliche Geruch von Angst in die Nase. Zwei Frauen, ebenfalls in Patientenkleidung, rannten schreiend und mit entsetzten Gesichtern an ihr vorbei. Geraldine trat auf den Gang und blickte nach links. Ein schwarzer Schatten wirbelte im Gang herum, zwei Männer, die sich einen heftigen Kampf lieferten. Aber sie konnte nicht genau einordnen, was sie dort sah, so fremd erschien ihr das Geschehen. Während der eine Mann sich extrem rasch bewegte, schien der andere sich immer wieder aufzulösen. Geraldine hatte den Eindruck, dass der dunkle und schattenhafte Mann eher mit einer Welle kämpfte, als mit einem menschlichen Gegner.
    Dann ging alles ganz schnell. Im einen Moment vermischte sich ein ozeanisches Blau mit einem trüben Düster, im nächsten Moment stand ein braun gebrannter Mann genau im Rücken des Schattens und griff in diesen hinein. Heftiger Schmerz durchzuckte Geraldine. Noch während sie fiel, konnte sie die aufflammende Explosion sehen, die aus dem Körper des Schattens hervorquoll. Der andere Mann löste sich bereits auf, wurde bläulich, zerfloss, und seine letzte Bewegung als Mensch war, dass er den Kopf drehte und zu
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