Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Titel: Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
Autoren: Timo Heinze
Vom Netzwerk:
abzusagen. Ab da gab es für mich kein Zurück mehr, ich hatte meine Wahl getroffen.
    Seinen Traum aufzugeben ist immer verdammt schwer. Egal, ob im Sport oder im normalen Leben. Wohl jeder hat diese Erfahrung in irgendeinem Rahmen schon einmal gemacht. Sei es beruflich oder privat. Doch so schmerzhaft sie auch sein mag, man muss irgendwann loslassen können. Um Platz zu machen für etwas Neues im Leben. Wenn es nicht mehr geht, dann geht es eben nicht mehr.
    Und bei mir ging es tatsächlich nicht mehr. Ich war oft unglücklich. Über lange Zeit. Und kein Traum der Welt sollte dafür da sein, sich selbst unglücklich zu machen. Irgendwann drehte sich alles nur noch um dasselbe Thema. Mein innerer Film lief permanent, ohne Pause. Und er handelte nur noch vom Fußball. Mit mir in der unglücklichen Hauptrolle. Internet, Fernsehen oder Unternehmungen mit Freunden brachten kurzzeitige Ablenkung, aber keine nachhaltige Besserung. Kurz darauf war alles wieder beim Alten. Meine Gedanken kreisten fast rund um die Uhr um meine sportliche Misere. Für jeden Berufstätigen, egal, ob Sportler oder nicht, ist es von enormer Bedeutung, auch mal Abstand zu gewinnen. Einfach mal zur Ruhe zu kommen und sich anderen Dingen zu widmen, wenn die Arbeit getan ist. Das verleiht im besten Falle automatisch Energie für die nächste Aufgabe, die sich im Job stellt. Ich aber ließ, im übertragenen Sinne, das runde Leder nach dem Training nicht im Ballschrank, sondern nahm es Tag für Tag mit nach Hause. Ich kam einfach nicht mehr los von meiner Arbeit.
    Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich trotz meiner kreisenden Gedanken und meines schlechten Gemütszustandes psychisch so gefestigt war, dass ich niemals in ernsthafte Gefahr von Depressionen oder Ähnlichem geriet. Wie die Öffentlichkeit in letzter Zeit erfahren musste, gibt es solche Fälle leider viel zu oft. Auch, oder gerade, im Sport. Doch meine Übungen und die regelmäßige Akupunktur sowie wertvolle Menschen um mich herum bewahrten mich davor. Ohne das alles wäre ich vielleicht wirklich irgendwann durchgedreht. So aber blieb ich, bei allem Ärger und Stress, kerngesund. Allerdings vermag ich nicht zu sagen, wie viel Zeit noch hätte vergehen müssen, bis ich tatsächlich langfristig Schaden genommen hätte. Vermutlich nicht allzu viel.
    Für so manchen Außenstehenden mag mein Entschluss nicht ganz nachvollziehbar gewesen sein. Nüchtern betrachtet war vor kurzem noch alles in Butter gewesen. Ich war Kapitän bei Bayern Münchens zweiter Mannschaft gewesen, dem Talentschuppen schlechthin des größten Vereins in Deutschland. Und auf dem Transfermarkt hatte ich als ein heißbegehrter Spieler gegolten. Das alles war zum Zeitpunkt meines Rücktritts nur etwas mehr als ein Jahr her gewesen. Doch angefühlt hat es sich wie fünf Jahre, wenn nicht mehr. Ich war einfach ausgebrannt. Meine Mitmenschen erkannten das und machten sich teilweise große Sorgen. Allen voran mein Vater. Er war stets mein treuester Begleiter und gleichzeitig stolzer Förderer gewesen, allerdings ohne mir auch nur ein einziges Mal Honig ums Maul zu schmieren. Vor allem aber, ohne mir jemals Druck zu machen wie so manch anderer älterer Herr von aufstrebenden Sportlern. Zu meinem tiefen Bedauern bereitete ich ihm nun zahlreiche schlaflose Nächte und großen Kummer. Er konnte meine Entscheidung für das Karriereende nachvollziehen. Bei meiner Mutter stellte ich sogar fast so etwas wie Erleichterung fest, als ich es ihr erzählte. Und ich konnte sie verstehen. Doch eines einte alle, meine Eltern, meine damalige Freundin, wie auch meine engsten Kumpels. Alle hörten mir zu, aber niemand redete mir wirklich hinein. Ich merkte, wie alle peinlich genau darauf bedacht waren, mir keinen verbindlichen Rat zu geben. Dafür war die Sache für mich von zu großer Tragweite, das wussten alle. Und auch wenn ich damals gerne klarere Aussagen bekommen hätte, war ihr Verhalten das einzig Richtige. Diese Entscheidung konnte mir keiner abnehmen, ich musste sie ganz alleine für mich treffen.
    Als es bei Unterhaching einmal gerade extrem mies lief, fragte mich eines Morgens ein befreundeter Mitspieler, ob ich in letzter Zeit nicht gut schlafen könne. Das war nicht der Fall, überhaupt hatte ich keine offenkundigen Beschwerden. Doch ich betrachtete mich an diesem Tag im Spiegel und wusste, was er meinte. Ich sah aus, als würde ich fünf Mal die Woche um die Häuser ziehen. Ein erschlafftes Gesicht mit dunklen Augenringen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher