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Nachruf auf eine Rose

Titel: Nachruf auf eine Rose
Autoren: Elizabeth Fenwick
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möblierte Wohnzimmer. Sie war angenehm überrascht. Sie musste sich zwingen, die schlanke junge Frau mit dem blondierten Haar und dem Knopf in der Nase nicht anzustarren, während diese das Schutzgitter vom Kamin abrückte.
    «Es war so kalt, dass ich vorhin noch Feuer gemacht habe», erklärte sie überflüssigerweise, was Nightingale umso neugieriger darauf machte, welche Stellung die junge Frau eigentlich im Fenwick’schen Haushalt innehatte. «Ich werd ihm sagen, dass Sie da sind», fügte sie hinzu.
    Nightingale sah sich interessiert um, aber das Einzige, was Aufschluss über seine Familie gab, waren ein paar gerahmte Fotografien im Bücherregal. Nightingale hatte ihre Brille nicht auf, und so würde sie die Gesichter nur erkennen können, wenn sie direkt davorstünde. Die junge Frau hatte die Wohnzimmertür offen gelassen. Nightingale blickte sich um und trat dann rasch näher, doch alles, was sie auf die Schnelle erkennen konnte, war eine außergewöhnlich schöne Brünette, die ein Baby im Arm hielt.
    Die Uhr auf dem Kaminsims schlug die halbe Stunde, und ein zu Asche verbranntes Holzscheit fiel raschelnd in sich zusammen. Sie hörte ein Knarzen hinter sich und schoss herum.
    Ein etwa siebenjähriges Mädchen stand in der Tür und starrte sie neugierig an. Unter dem Saum eines langen Baumwollnachthemds lugten ihre nackten Zehen hervor, die aufgeregt hin- und herzappelten.
    «Hallo», sagte das Mädchen selbstbewusst, fast wie die Dame des Hauses, die einen unerwarteten Gast willkommen heißt.
    «Hallo.»
    «Wie heißt du?» Dunkelbraune, nahezu schwarze Augen starrten sie unter wuscheligen, schwarzen Locken forschend an.
    «Nightingale. Und du?»
    «Ich heiße Bess.» Noch ein abschätzender Blick. «Bist du bei der Polizei?»
    Nightingale musste ein Lächeln unterdrücken. «Ja.»
    «Zusammen mit meinem Vater?»
    «Hm, manchmal schon.»
    «Du trägst keine Uniform, also bist du ein Detective.» Das war keine Frage. Bess setzte sich aufs Sofa neben dem Kamin und deutete mit der Hand auf das andere Sofa. «Setz dich doch.»
    «Danke.»
    «Er kommt zu spät, nicht wahr?»
    «Nein, ich bringe nur ein paar Unterlagen vorbei. Doch ich soll sie persönlich übergeben.»
    «Hm.» Ihre Füße baumelten ein ganzes Stück weit über dem Boden. «Er ist bestimmt im Schuppen, um Chris’ Kästchen zu reparieren. Soll ich ihn holen?»
    «Nein, er weiß schon, dass ich da bin. Deine … die Dame sagt ihm gerade Bescheid.»
    «Wendy. Gut.» Sie ließ ihre Augen im Zimmer umherwandern.
    «Das ist Papas Musik», sagte sie und deutete auf einen CD-Player. «Möchtest du mal hören?»
    Bevor Nightingale antworten konnte, war Bess auch schon aufgesprungen, stand auf Zehenspitzen vor dem Gerät und hangelte nach den Tasten.
    «Solltest du … Ich meine, darfst du das denn?»
    Sie warf einen pikierten Blick über die Schulter.
    «Natürlich darf ich das.»
    Die ersten Klänge einer Schubert-Klaviersonate erklangen, und Nightingale spürte, wie ihr ein angenehmer Schauder über den Rücken lief.
    «Das ist eines meiner Lieblingsstücke, Bess. Gute Wahl.»
    «Die war schon drin. Mein Vater mag sie auch.»
    Nightingale fühlte sich aus irgendeinem Grund unbehaglich. Sie erhob sich und ging im Zimmer umher.
    «Kennst du eine Geschichte?», fragte Bess fast flehend.
    «Na ja, eigentlich nicht.»
    «Aber eine weißt du bestimmt!»
    «Ein paar kenne ich schon. Aber die sind wirklich nicht gut.»
    «Ich müsste eine Weile nachdenken. Was für Geschichten gefallen dir denn?»
    «Ich mag am liebsten Abenteuergeschichten.»
    Bess klopfte auf das Sofa, und gehorsam nahm Nightingale neben ihr Platz. Mit einem Mal krabbelte die Kleine auf ihren Schoß und starrte sie erwartungsvoll an, einen Finger um eine dicke schwarze Locke gedreht.
    «Also gut …» Nightingale atmete tief ein und war eben über das Es war einmal hinausgekommen, als die Wohnzimmertür weit geöffnet wurde und Fenwick eintrat. Er wollte sich gerade dafür entschuldigen, dass er sie so lange hatte warten lassen, als er Nightingale und Bess erblickte und überrascht verstummte.
    «Bess! Was machst du denn hier? Du solltest doch im Bett sein. Es ist gleich elf, und morgen ist wieder Schule. Sofort ab mit dir!»
    Sein Ton war streng, und Nightingale sah, wie Bess’ Miene sich verdüsterte. Offensichtlich sprach ihr Vater sonst nicht in so grimmigem Ton mit ihr, und Nightingale kam es blitzartig in den Sinn, dass er nur so heftig reagierte, weil sie eines seiner Kinder hier
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