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Nachkriegskinder

Nachkriegskinder

Titel: Nachkriegskinder
Autoren: Sabine Bode
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des Kreisauer Kreises wurde er mehrfach verhaftet, er verlor seine Arbeit, was die ganze Familie in tiefe Armut stürzte. Martins Mutter stand dem Widerstand ambivalent gegenüber, sie kritisierte die Männer, die ohne Rücksicht auf ihre Familien gehandelt hätten. Ihr Sohn berichtet, sie sei lange überhaupt nicht stolz auf ihren Vater gewesen, sondern habe die Meinung vertreten, nur Junggesellen und Priester dürften sich dem Widerstand anschließen. »Die Geschichte meines Opas wurde früher genauso verschwiegen wie die Kriegsgeschichte meines Vaters«, berichtet Martin Best. Lange Zeit konnte Hannelore ihrem Vater nicht verzeihen, sie gab ihm die Schuld an Angst, Not und Unglück in ihrer Kindheit. Grundsätzlich warf sie ihm unverantwortliches Verhalten gegenüber der Familie vor. Sie selbst wandte sich linken politischen Positionen und dem Feminismus zu, organisierte sich politisch. Sie praktizierte Gleichberechtigung unter ihren Kindern; auch die Söhne wurden zur Hausarbeit herangezogen. Inhaltlich folgte sie der Linie ihres Vaters.
    Mit 12 Jahren hatte Hannelore ihre Mutter bei einem Bombenangriff verloren. Das Haus war zerstört worden. Die Familie kam auf einem Bauernhof unter, wo die Kinder dankbar sein mussten, wenn sie Abfälle essen durften. Der Vater starb nach Kriegsende an den Haftfolgen.
    Später verlor Hannelore Best eine Tochter. Sohn Martin kommt zu dem Schluss: Die ersten Verluste seiner Mutter fielen in Zeiten des Überlebenskampfes, Innehalten war nicht möglich gewesen und daher hatte sie Trauern nicht gelernt.
    Eine Konsequenz war ihre Partnerwahl. Mit Harald Best hatte |41| sie einen absolut zuverlässigen Mann an ihrer Seite. Als 19-Jährige lernte Hannelore ihn kennen, einen Kriegsversehrten. Der hatte mit 20 Jahren an der Front sein Bein verloren. In seiner Nähe war eine Granate explodiert, nicht alle Splitter konnten entfernt werden. Danach gab es für ihn keinen schmerzfreien Tag mehr in seinem Leben. Auch seine Leber hatte Schaden genommen, weil er im Lazarett Blutkonserven mit der falschen Blutgruppe erhalten hatte. Dass ihm dennoch ein erfülltes Leben gelang und dass es seiner sechsköpfigen Familie an nichts fehlte, beruhte auf ungeheurer Disziplin und Arbeitsbereitschaft, auf Optimismus und Kreativität. Als Kriegsverletzter musste er sich, um Arbeit zu haben, selbständig machen und hatte als Handwerker einen Betrieb aufgebaut. Er hatte sogar Erfindungen gemacht, mit denen sich zeitweise sehr gut Geld verdienen ließ.

Kriegsnarben
    »Mit dem Verlust seines Beines ging Vater immer offen um«, sagt sein Sohn Martin. »Sonntagmorgens im Elternbett wollten wir Kinder wissen: Wie war das im Krieg? Und er hat knapp geantwortet, Russland, die Granate, deren Narben man auf der Haut sah, die Amputation, manchmal entzündete sich der Stumpf.« Zum Glück sei sein Vater mit einem relativ guten Selbstbewusstsein ausgestattet gewesen, fügt er hinzu, ohne depressive Attacken, ohne größere Einschränkungen, ohne Macken. Grundsätzlich sei er dem Thema Krieg eher ausgewichen.
    Sein Sohn meint, der Vater habe seine eigene Mitbeteiligung an der deutschen Kollektivschuld, sein Zwangsverstrickt-Sein, nicht weiter beachtet. Dem habe er sich entzogen, indem er zum Antisozialisten geworden sei und aggressiv auf die Russen geschaut habe – auf deren Verbrechen, deren Schuld. »An seinem Leid musste jemand Schuld sein – in seinen Augen die Russen. Das war seine Art, mit Wut und innerem Stress umzugehen. Und so brauchte er nicht zu trauern.«
    |42| Martin Best beschreibt ihn als einen Mann mit einem recht einfachen Bildungsstand, der aus einer kinderreichen Bauernfamilie stammte. Lebensklug sei er schon gewesen, betont der Sohn, doch habe er kaum Fähigkeiten gehabt, sich mit inneren Vorgängen auseinanderzusetzen. »Mein Vater feierte gern, er war sehr kontaktfreudig, also eigentlich ein offener Mensch – nur nicht in Bezug auf die Russen«, stellt er fest. »Er war ein absoluter Kommunistenhasser, das kam bei ihm als Reflex, da brauchte er keine Argumente.«
    Der Sohn sieht noch weitere Widersprüche. In seinem Umfeld verhielt Harald Best sich zugewandt, hilfsbereit und großzügig. »Aber politisch war er überhaupt nicht sozial eingestellt, sondern richtig reaktionär.« Für den Vater waren die sozial Schwachen, sofern er sie nicht persönlich kannte, selbst Schuld, wenn sie nichts aus ihrem Leben machten. Harald Best nahm diesbezüglich an sich selbst Maß: Er hatte sich nicht
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