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Nach Diktat verblichen

Nach Diktat verblichen

Titel: Nach Diktat verblichen
Autoren: A. A. Fair
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andere Gemälde hieß »Sonne über der Sahara«. Dies hier, fand ich, sollte »Gewitter über dem Jahrmarkt« heißen.
    Ich trat zurück, um das Bild auf mich wirken zu lassen,
    trat dann näher, um den Pinselstrich zu betrachten. Ich neigte den Kopf auf die eine Seite, dann auf die andere.
    Dann nickte ich.
    Dutton konnte es kaum erwarten, meine Meinung zu hören.
    »Es heißt >Inspiration<«, sagte er. »Es zeigt die weißglühenden Blitze der Erleuchtung. Die Kreise stellen die Gedanken dar, die dem Menschen durch den Kopf wirbeln.«
    Ich wartete gut fünf Sekunden, ehe ich antwortete. Ich merkte, daß er mich fiebrig vor Spannung beobachtete.
    Dann sagte ich ein Wort: »Phantastisch.«
    Duttons Gesicht leuchtete auf. Er faßte meine Hand und schüttelte sie auf und nieder.
    »Billings, Sie sind wirklich ein Kenner.«
    Ich betrachtete weitere fünf Sekunden das Gemälde und wandte mich dann mit feierlicher Miene nach Dutton um.
    »Ich glaube, ich habe endlich den Mann gefunden, der es schaffen kann.«
    »Was?« fragte er. »Was?«
    »Das Bild, das alle anderen Gemälde unserer Zeit in den Schatten stellen wird.«
    Er musterte mich ein wenig zweifelnd.
    »Was für ein Bild?« erkundigte er sich.
    »Konflikt«, versetzte ich lakonisch.
    Er kniff die Augen zusammen.
    »Das große Weltproblem unserer Zeit ist der Konflikt. Nationen stehen in Konflikt mit anderen Nationen. Menschen stehen mit anderen Menschen in Konflikt. Ideen prallen auf andere Ideen. Ideologien liegen im Streit mit anderen Ideologien.«
    »Wie kann man das im Bild darstellen?« fragte er nachdenklich.
    Ich erwärmte mich für das Thema. »Sie wissen doch, wie es klingt, wenn ein ungeübter Autofahrer von einem Gang in den anderen schaltet. Sie wissen, wie es klingt, wenn man bei einem alten Auto vergißt, Zwischengas zu geben. Es knirscht, es kratzt, es kracht.«
    Dutton nickte.
    »Malen Sie dieses disharmonische Geräusch«, sagte ich, »und nennen Sie es Konflikt.«
    Er trat zurück und sah mich an.
    »Es ist nicht unmöglich«, fuhr ich fort. »Malen Sie die Zahnräder, die nicht ineinandergreifen, die Zähne, die hart aufeinandertreffen. Nehmen Sie Farben, die sich schlagen. Setzen Sie ein grelles Grün gegen ein Scharlachrot. Damit tun Sie dem Auge das gleiche an, was das Knirschen der Zahnräder den Ohren antut. Sie schaffen ein Gemälde, das an den Nerven zerrt, das jeden Nerv im menschlichen Körper in Aufruhr bringt. Und Sie nennen es >Konflikt<.«
    »Guter Gott«, ächzte Dutton mit ehrfürchtiger Bewunderung. »Es kann wirklich gemalt werden.«
    »Sie können es schaffen«, versicherte ich. »Sie können es.«
    Ich dachte, Dutton würde mir im nächsten Moment um den Hals fallen.
    Caroline beobachtete uns aus zusammengekniffenen Augen.
    »Erkundige dich lieber erst, was Mr. Billings für den Einfall erwartet.«
    Ich sah sie an und warf den Kopf zurück. »Nichts«, erklärte ich. »Ich bin kein Maler. Ich habe nur Einfälle. Auf meine eigene bescheidene Art möchte ich einen Beitrag zur Kunst leisten.«
    Jetzt fiel mir Dutton wirklich um den Hals.
    Dann verhüllte er sein Gemälde »Inspiration« wieder und verstaute es im Schrank.
    »Ich werde mich heute abend noch an die Arbeit machen, Billings. Heute abend noch. Mein Gott. Das ist das Phantastischste, was ich je gehört habe. Ich kann es malen. Ich kann den Konflikt darstellen. Er wird den Beschauer treffen und aufrühren. >Konflikt    »Ich bin kein reicher Mann«, sagte ich. »Ich kann Ihnen nicht versprechen, daß ich das Werk kaufen werde. Doch ich bin überzeugt, daß es eine Sensation werden wird. Ich weiß, wie man Reklame macht. Ich glaube, ich kann Ihr Werk den Kritikern nahebringen.«
    Dutton schenkte eine neue Runde Drinks ein. Er goß mehr Gin als Tonicwasser in die Gläser. Wir stießen an und tranken.
    »Ich hätte mir gern noch einige andere Gemälde von Ihnen angesehen«, bemerkte ich nach einer Weile. »Ich möchte auch gern mit Malern sprechen, die Sie beeinflußt haben.«
    »Ich habe niemanden beeinflußt.«
    »O doch«, widersprach ich. »Bestimmt. Jeder, der Ihre Arbeiten gesehen hat, der ein Auge für wahre Kunst hat, muß erkennen, daß in Ihnen ein besonderer Funke glüht. Der Funke der Kraft und der Vitalität.«
    »George«, meinte Caroline nachdenklich.
    »Wer ist George?« fragte ich.
    »George Cadott«, erwiderte Caroline. »Er ist mein Vetter. Er malt ein wenig. Ich weiß, daß Horace ihn beeinflußt hat.«
    »Ja, vielleicht«,
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