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Mythor - 119 - Das sterbende Land

Mythor - 119 - Das sterbende Land

Titel: Mythor - 119 - Das sterbende Land
Autoren: Wolf Paul
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Glasschaft aus dem Bein.
    Das Kriegshorn verstummte mit einem kläglichen Ton. Als Mythor in die Richtung des Bläsers blickte, sah er, wie dieser gerade von einer Gestalt in voller Rüstung niedergestreckt wurde. Es tauchten noch vier weitere solcher Krieger in Rüstungen auf, die den fliehenden Insektenkriegern den Weg zu verstellen versuchten.
    Doch es waren ihrer zu wenige, um sie aufhalten zu können. Sie wurden niedergerannt oder mit den Glasspeeren in die Knie gezwungen.
    »Was sind denn das schon wieder für welche«, rief Gerrek erstaunt. »Stehen sie nun auf unserer Seite oder…«
    Mythor hörte nicht hin. Der Kampf war beendet, die Angreifer flohen Hals über Kopf. Er hatte jedoch links von sich eine Bewegung bemerkt und eine kleine Gestalt entdeckt, die sofort wieder zwischen den Mauerresten verschwand. Es konnte sich dabei weder um einen der Wölfischen noch um einen Insektenkrieger handeln. Mythor glaubte eher, daß es sich um einen Aasen oder einen Troll – oder gar um ein Kind handelte. Aber letzteres war natürlich unmöglich. Wie sollte ein Kind auf das Schlachtfeld dieses sterbenden Landes kommen?
    Ohne sich bei seinen Gefährten abzumelden, nahm Mythor die Verfolgung auf. Als er zu der Stelle kam, wo er den Kleinen gesehen hatte, war er verschwunden. Aber Mythor’ entdeckte seine Spur in der Asche, die an manchen Stellen knöcheltief war. Die Abdrücke stammten von kleinen, zierlichen Füßen mit etwas zu lang geratenen Zehen.
    Mythor folgte dieser Spur vorsichtig, immer darauf gefaßt, von irgendeinem Feind angefallen zu werden. Aber niemand lauerte ihm auf, und die Fußabdrücke führten in gerade Linie zum Zentrum des Ruinenfelds; durch halb eingestürzte Torbögen, über Schutthalden hinauf, vorbei an rauchenden Balken – und quer durch Glutnester. Der Unbekannte mußte schmerzunempfindliche Fußsohlen haben, wenn es ihm nichts ausmachte, in die Glut zu treten.
    Ein Geräusch vor ihm ließ ihn den Schritt beschleunigen. Und da entdeckte er die kleine Gestalt wieder. Er sah das matte Schimmern eines Kettenhemds und eines Waffenrocks. Die Arme und Beine wirkten zerbrechlich, und wieder hatte Mythor den Eindruck, ein Kind vor sich zu haben.
    Die Gestalt drehte sich nach ihm um – und Mythor blickte in ein Jungengesicht. Aber irgend etwas stimmte damit nicht. Die Züge waren kindlich und raubtierhaft zugleich. Die Gestalt stolperte und fiel einen Häng hinunter.
    Mit einigen Sätzen war Mythor zur Stelle. Als er von der Kuppe des Trümmerhaufens hinunterblickte, stockte ihm für einen Moment der Atem.
    Da war ein freier Platz, der mit den Körpern gefallener Krieger bedeckt war. Der Junge – Mythor war nun sicher, daß es sich um einen höchstens neunjährigen Knaben handelte – kletterte auf allen vieren über die Toten hinweg, auf ein Monument zu, das in der Mitte des Platzes stand.
    Das Podest war stufenförmig, und von ihm erhob sich eine mit Ornamenten geschmückte Steinsäule, die eine viereckige Steintafel trug, die von Reliefen umrahmt war. Die Steintafel trug eine Inschrift in Form eines Buchstabenquadrats, das auf den ersten Blick keinen Sinn ergab. Die erste Zeile lautete XATAN, die zweite AXATA.
    Mythor wurde von dem Jungen abgelenkt, der das Podest erklommen hatte und sich nun hinter der Steinsäule versteckte. Mythor stieg vorsichtig die Halde hinunter und näherte sich dem seltsamen Monument mit dem Buchstabenquadrat.
    »He, Junge, ich tu dir nichts«, rief er. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben.«
    Mythor blickte zwischendurch zu der Inschrift hoch und las sie vollständig. Dort stand in Stein gemeißelt:
    XATAN
    AXATA
    TAXAT
    ATAXA
    NATAX
    Und jetzt erst erfaßte Mythor, daß die Inschrift, von oben nach unten gelesen, denselben Sinn wie von links nach rechts ergab. Man konnte sie auch von unten nach oben und von rechts nach links lesen – und wiederum ergab sich dieselbe Reihenfolge. Nämlich: XATAN AXATA TAXAT ATAXA NATAX.
    Mythor ahnte, daß diese Worte Gewicht hatten und von ungeheurer Bedeutung waren. Er widmete sich wieder dem Jungen, als er sich einen Weg über die Stufen des Podests suchte.
    »Wer bist du?« fragte Mythor. »Hast du keinen Namen?«
    Der Junge schob langsam den Kopf hinter der Steinsäule hervor. Er hatte dichtes, seidig schimmerndes Haar. Es war von graubrauner Farbe und wies einige silbrig schimmernde Flecken auf, und es mutete fast wie ein Fell an. Es umrahmte das Gesicht des Jungen auch seitlich, reichte ihm über die Ohren, die es
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