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Mysterium

Mysterium

Titel: Mysterium
Autoren: David Ambrose
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Leben gemacht hatte. »Die Ärzte haben mir gesagt, ich könne mich glücklich schätzen, dass ich überhaupt noch lebe«, sagte er. Und mit einem Blick in ihre Augen fügte er hinzu: »Und sie haben Recht.«
    Der Blick hielt an, wurde zu einem tiefen Verständnis.
    »Ich habe mir schon immer gedacht, dass es lange dauert, bis du zu dir selbst findest«, sagte sie.
    »Wirklich?«
    Sie nickte.
    »Ja«, sagte er und schwieg, bis beide ganz sicher waren, was sich zwischen ihnen abspielte, »wer hätte das gedacht?«

4
    Nach dem Ende ihrer Ehe hatte Clare New York verlassen und war sechs Monate lang durch Europa gereist. Nach ihrer Rückkehr hatte sie ein kleines Haus in Saracen Springs gemietet – ein Ort, an dem Clare in ihrer Kindheit glücklich gewesen war: Sie war sieben Jahre alt gewesen, als ihr Vater, ein Politikwissenschaftler, eine Stelle an der Albany University angenommen hatte. Zehn Jahre später war er an eine Uni in Kalifornien berufen worden, und sie waren wieder umgezogen. Doch Clare hatte aus diesen frühen Jahren einige gute Freunde behalten und arbeitete zurzeit für einen von ihnen in dessen Unternehmensberatung. Sie war auf kleinere Firmen spezialisiert, von denen viele Dotcom-Unternehmen der zweiten und dritten Generation waren, die von den schmerzhaften Lektionen der ersten Generation profitieren wollten, die man jetzt zynisch »Dotbombs« nannte, nachdem die unternehmerischen Hoffnungen und Wünsche zerplatzt waren.
    Je länger Tom darüber nachdachte, umso wundersamer erschien ihm die glückliche Fügung, die sie beide an diesem Ort zusammengeführt hatte.
    Manchmal jedoch ertappte er sich dabei, wie er der abergläubischen Furcht nachgab, dass alles zu schön sei, um wahr zu sein, dass er mehr Glück hatte, als er verdiente – und dass er irgendwie dafür bezahlen musste. Doch solch negative Gedanken verbannte er rasch; für ihn waren sie bloß Echos vergangener Zeiten. Er würde nie wieder sein können, was er einmal gewesen war. Er war jetzt ein anderer.
    Tom und Clare heirateten, sobald er in der Lage war, für die Dauer der Zeremonie ohne Gehstock auszukommen. Clares Eltern flogen zu dem Ereignis ein, ebenso ihre Schwester, eine Porträtmalerin, die auf Cape Cod lebte, und ihr Bruder, ein Arzt in Miami, der mit seiner Frau und drei kleinen Kindern erschien. Tom genoss das Gefühl, eine Familie um sich zu haben, da er selbst keine hatte. Er war Einzelkind gewesen; seine Eltern hatten sich scheiden lassen, bevor er aufs College gegangen war. Seine Mutter war längst verstorben; sein Vater, Marketingexperte bei einem Softdrinkkonzern, hatte wieder geheiratet und lebte mit seiner neuen Familie in Asien.
    Das frisch verheiratete Paar zog in Clares gemietetes Haus, das für sie beide ausreichte, aber für die Familie, die sie beide gründen wollten, nicht groß genug war. Doch zuerst einmal war es am wichtigsten, Toms Karriere wieder in Gang zu bringen. Er streckte seine Fühler nach alten Freunden in der Anzeigenbranche aus. Alle hörten ihm verständnisvoll zu, mehr aber auch nicht. In Wahrheit betrachteten sie ihn als ausgebrannt und nutzlos, das wusste er nur zu gut.
    Unerschrocken versuchte Tom, andere Wege zu gehen. Mit Clares Hilfe erstellte er einen Gründungsprospekt für eine eigene Firma; dann machten sie sich auf die Suche nach Investoren – anfangs erfolglos, bis Tom einen Geistesblitz hatte: Einer seiner Freunde, ein Konzertveranstalter, richtete Tourneen altbekannter Rockbands aus, die sowohl nostalgische Vierzig- und Fünfzigjährige als auch eine erstaunliche Zahl Jugendlicher ansprachen. Tom rief an und erhielt die Erlaubnis, mit einigen Bands auf Tour zu gehen – nur er allein mit einer Videokamera.
    Mehrere Wochen mit alten, gestählten Rockmusikern zu reisen war eine Erfahrung, die wie geschaffen war, Toms Entschlossenheit auf die Probe zu stellen, nüchtern zu bleiben. Tom überstand diese Probe ohne Ausrutscher, ja, ohne einen einzigen Augenblick der Versuchung. In der ersten Woche auf Tournee besuchte er mehrere Treffen lokaler Gruppen der Anonymen Alkoholiker, aber mehr aus Gewohnheit denn aus Notwendigkeit. Danach machte er sich gar nicht mehr die Mühe.
    Das Material, das er erstellte, war sensationell. Sein Dokumentarfilm wurde auf dem Sundance Festival gezeigt, heimste einen Preis nach dem anderen ein und wurde an Fernsehsender in der ganzen Welt verkauft. Tom bekam wieder Anrufe von Firmen, die mit ihm ins Geschäft kommen wollten.
    Auch wenn er nicht mehr so
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