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Mysterium

Mysterium

Titel: Mysterium
Autoren: David Ambrose
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Nervensystem angreifen. Es gibt keine Anzeichen für Bewegungsstörungen oder Hirnschäden.«
    »Aber sie hat dich nicht erkannt? Du hast gesagt, dass Julia dich nicht erkannt hat.«
    »Ganz zu Anfang. Nur eine Minute lang. Ich glaube, es lag am Fieber. Es war beunruhigend, aber nicht schlimm.«
    Tom sah, dass sich das Tor öffnete und die Reisenden auf den Bahnsteig strömten. Er folgte ihnen und sagte Clare, dass er vom Bahnhof aus direkt zum Krankenhaus käme; sie sollte ihn aber anrufen, wenn es irgendwelche Neuigkeiten gab.
    Während der nächsten Stunde meldete sein Handy sich nicht. Auch nicht während der viertelstündigen Fahrt von dem Parkplatz, wo er seinen Wagen abgestellt hatte, zum Charles A. Martin Memorial Hospital an der Bingham Road. Eine Krankenschwester am Empfang gab Tom Auskunft. Als die Fahrstuhltüren sich nicht sofort öffneten, stürmte Tom die Treppe zur Kinderstation hinauf wobei er immer zwei Stufen auf einmal nahm.
    Julia war wach. Sie sah blass aus, schien ansonsten aber normal zu sein. Sie begrüßte Tom mit einem begeisterten »Daddy!« und küsste und umarmte ihn wie immer.
    Im selben Augenblick, als er das Zimmer betrat, hatte Tom Blickkontakt mit Clare aufgenommen; es war ein Blick gegenseitiger Beruhigung. Clare nahm seine Hand, und er konnte ihre Freude spüren, dass er endlich da war.
    »Also, junge Dame«, sagte Tom und setzte sich. »Was machst du zu dieser Tageszeit im Bett?«
    Julia blieb seltsam ruhig, beinahe passiv.
    »Haben die Ärzte ihr was gegeben?«, fragte Tom.
    »Ein Mittel, um das Fieber zu senken, sonst nichts. Ihre Temperatur ist jetzt normal.«
    »Daddy, guck.«
    Julia zeigte auf ein rundes Heftpflaster auf ihrem Arm. Offensichtlich war dort eine Injektionsnadel gesetzt worden.
    »Sie haben ihr Blut entnommen«, sagte Clare und drückte die Hand ihrer Tochter. »Du warst sehr tapfer, mein großer Schatz.«
    Das war sie in der Tat. Die Aussicht, über Nacht im Krankenhaus bleiben zu müssen, schien Julia nicht allzu viel auszumachen, auch wenn es zum guten Teil daran lag, dass ihre Mommy bei ihr bleiben würde.
    Sie warteten, bis eine Schwester kam, um noch einmal Fieber zu messen, bevor sie alle auf den Flur gingen, um zu reden. Sie einigten sich darauf, dass Tom für den Rest des Nachmittags bleiben würde, während Clare ins Büro zurückkehrte, um einige Dinge zu erledigen.
    »Ich muss die Arbeit aufgeben und mich mehr um Julia kümmern«, sagte sie, als sie allein waren. »Es ist meine Schuld.«
    »Wieso ist es deine Schuld?«
    »Dass sie zu ihrer Mutter wollte und ich nicht ihre Mutter war …«
    »Ach, hör auf …«
    »Ich meine es ernst. Ich glaube, sie hatte das Gefühl, ich würde sie allein lassen. Ich bin nicht mehr ihre Mommy, nicht so, wie sie es braucht.«
    »Willst du damit sagen, sie ist krank geworden und hat Fieber bekommen, nur weil du wieder zu arbeiten angefangen hast?«
    »Vielleicht ist es psychosomatisch.«
    »Und dass sie dich nicht erkannt hat, war nur gespielt?«
    »Ich weiß nicht. Wie könnte ein Kind in diesem Alter …«
    Sie seufzte erschöpft, beinahe verzweifelt. Tom nahm sie in die Arme.
    »Jetzt geht es ihr ja gut. Das siehst du doch, oder?«
    »Ja, aber …«
    »Kein Aber. Lass uns nichts überstürzen. In Ordnung?«
    Nach einem Augenblick sagte sie: »In Ordnung. Es ist nur …«
    Ihre Stimme zitterte. Sie war den Tränen nahe.
    »Was?«
    »Sie hat geschrien. Eine der Schwestern musste sie beruhigen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich habe mich noch nie im Leben so verängstigt und hilflos gefühlt. Dann beruhigte sie sich plötzlich. Die Schwester zeigte auf mich und fragte Julia: ›Du weißt, wer das ist?‹ Julia sah mich nur lange Zeit an und sagte dann ›Mommy‹.«
    »Und?«
    »Es ist nur dieses Gefühl …«
    »Was für ein Gefühl?«
    Clare blickte ihm in die Augen.
    »Dass sie es nicht wirklich so meinte. Dass sie es nur mir zuliebe gesagt hat.«

8
    In den beiden Stunden, in denen Tom mit Julia allein war, versuchte er alles, um Julias Sicht der Dinge in Erfahrung zu bringen. Er bekam nicht mehr als eine Aufzählung der nackten Tatsachen.
    »Mir war schlecht. Mein Bauch hat wehgetan.«
    »Was war dann?«
    »Wir sind ins Krankenhaus gefahren.«
    »Mit wem bist du gefahren?«
    »Mit Linda.«
    »War Mommy da?«
    »Mommy ist später gekommen.«
    Tom war überzeugt, dass Julia sich nicht an die Ereignisse erinnerte, die Clare beschrieben hatte. Doch er hatte nicht das Gefühl, dass sie die Geschichte nur ihm
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