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Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Titel: Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)
Autoren: Julia Malchow
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etwas klar werden möchte.
    Reisen ermöglichen mir einen ganz anderen Zugang zu mir selbst. Einen Zugang zu meinem Unterbewusstsein, zu meinem Kern vielleicht. Auf jeden Fall zu dem, was wichtig ist. Zu dem, was ich gerade brauche. Und was nicht. Natürlich nicht irgendwelche Reisen. Meine Abenteuer in Patagonien, Tansania, Kenia, Tibet, Nepal, Bhutan, Mustang, von der Atacama ins bolivianische Hochland und zum Salar de Uyuni, ins Hochland Islands und natürlich nach Grönland fielen mir ein. Grönland mit Babybauch. Jede Reise war mit einem wichtigen Thema, einer Auseinandersetzung mit mir selbst verknüpft. Mein Leben wäre nicht das, was es ist, ohne diese Reisen.
    Und jetzt brauchte ich mein Leben zurück.
    Aber geht das auch mit Baby? Oder ist das eine unzumutbare Strapaze für meinen kleinen Sohn? Oder für mich? Und da war er wieder, dieser nervige Ratgebertext: »Reisen sind für Babys mit dem Verlust der Orientierung, des sicheren Zuhauses und mit sehr viel Stress verbunden und daher kritisch zu beurteilen.«
    Warum soll etwas, was für mich zu den schönsten, wichtigsten, inspirierendsten Dingen der Welt gehört, für meinen Sohn etwas Furchtbares sein? Was sagt Markus dazu? Kann ich ihm seinen Sohn für eine derartige Reise entziehen? Oder will er mit? Halten Levi und ich es ohne Markus aus? Funktioniert mein Prinzip Reise nur allein oder auch mit Levi? Schaffe ich es, die nie Vollzeitmutter sein wollte, für einen längeren Zeitraum allein – ohne Unterstützung, ohne Pause – die Verantwortung für Levi zu übernehmen? Und dabei auch noch etwas für mich zu tun, für uns?
    Und am allerwichtigsten: Wohin sollte diese lebenswichtige Reise denn überhaupt führen?
    Malaria, zu große Höhenlagen, zu lange Autofahrten, terrorgefährdete Regionen – all das wollte ich Levi nicht zumuten. Und somit schieden viele Regionen, in denen ich ein weitverzweigtes Netzwerk an Geschäftspartnern besitze und mich selbst gut auskenne – Patagonien, Ostafrika, Himalaja – aus. Nachdenklich saß ich meinem Sohn gegenüber, als dieser eine Lokomotive aus seiner Spielkiste kramte und mir hinhielt. Ich zog die Lok mit einigen schnellen Rückwärtsbewegungen auf, ließ sie los, und sie zischte davon. Entgegen meinen bisherigen Erfahrungen mit Levi und der Lok – sobald die Lok loszischte, brach Levi in erschrockenes Weinen aus – lachte er laut auf und klatschte in die Hände. Wir spielten noch gefühlte hundert Jahre mit der Lokomotive, und irgendwann zwischen dem 97. und 98. Jahr wusste ich es: Mit dem Zug in eine andere Welt rattern, in ein neues Leben. Einfach einsteigen, aus dem Fenster schauen und abwarten, was passiert.
    Da ich noch nie eine wirklich lange Zugreise unternommen hatte, fiel die Entscheidung leicht: Die Transsibirische Eisenbahn! Der mythenumrankte Zug gilt als wirkliches Abenteuer. Kein Hauch von kinderfreundlichem Kluburlaub. Keine Mutter-Kind-Wellness-Reise. Kein Spaziergang. Genau richtig für Levi und mich und unsere Mission: Mit der Transsibirischen Eisenbahn auf der Suche nach unserer Welt für zu Hause – jenseits der typischen Familienklischees.
    So weit der Plan.
    Reiseverbot für Frauen mit Baby?
    Schon in der Phase der Vorbereitung fand ich nicht nur wenig bis keine Unterstützung, sondern überwiegend Menschen, die mich mit meinem dringlichen Bedürfnis, mit meinem Sohn möglichst schnell aufzubrechen, nicht wirklich ernst nahmen. Oder wie sollte ich diese Einmischung in meine Privatsphäre sonst interpretieren: Meine Reisevorstellungen als zu gefährlich zu bewerten, ohne Angabe von konkreten Gefahren. Meinen durch knallharte Fakten vorgegebenen zeitlichen Reisevorbereitungshorizont als viel zu kurzfristig zu bewerten, ohne es wenigstens zu probieren? Wenn meine Mitarbeiter mit einem Kunden so umspringen würden, so geschäftsverhindernd, wäre ich wütend, würde sie zur Seite nehmen und an ihrer Kundenorientierung arbeiten: Wenn ein Kundenwunsch in deinen Ohren ungewöhnlich klingt, liegt das vielleicht auch an deinen begrenzten Vorstellungsmöglichkeiten?
    Die Stolpersteine der ersten Planungstage ließen mich wiederholt an den Erfolgschancen meiner Mission zweifeln. Erneut wollte ich den Plan verwerfen: Wenn mir nicht nur von nationaler, sondern auch von internationaler Seite vor allem Zweifel hinsichtlich meines Vorhabens gespiegelt wurden, warum sollte das unterwegs anders sein? Und mich auch unterwegs permanent rechtfertigen zu müssen, darauf hatte ich keine Lust.
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