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Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Titel: Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)
Autoren: Julia Malchow
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Orientierung zu geben vermochte. Und gemeinsam fanden wir keine Familie, die zu uns gepasst hätte. Wir fanden nur Familienmodelle, bei denen sich einer – egal ob Frau oder Mann – vornehmlich um die Kinder kümmerte und hinsichtlich seiner eigenen Ziele zurücksteckte beziehungsweise die Kinder zeitweise zum primären Lebensinhalt machte, während der andere in der Welt unterwegs war und das Geld verdiente. Unsere Sorge war, dass so die Entfremdung als Paar vorprogrammiert war. Außerdem wollte keiner der eine oder der andere sein. Wir wollten beide beides.
    Was ich statt passender Familienvorbilder hingegen zuhauf fand, waren Sprüche wie: »Jetzt wirst auch du endlich sesshaft, Julia.« »Jetzt holt auch dich das normale Leben ein. Willkommen im Klub.« Und dazu dieses Grinsen. Panik kroch in mir hoch.
    Den einzigen Hinweis lieferte ausgerechnet ein Werbespruch: »Ich habe mich für Doppelfreude statt Doppelbelastung entschieden.« Dazu eine Frau mit Babybauch in fröhlicher Zweisamkeit mit ihrem Partner. Klingt gut, aber geht das vielleicht ein bisschen konkreter?
    Da ich Unternehmerin und somit bei der Wahl meiner Arbeitszeit und meines Arbeitsortes grundsätzlich frei bin, sollte es doch ein Leichtes sein, meinen und unseren neuen Alltag zu organisieren, dachte ich. Mein Ehrgeiz war geweckt, das perfekte Lebensmodell für uns drei dann halt ohne Vorbilder am Reißbrett zu entwerfen. Und so entwarf ich: Babysitteranzeigen, Babysitterstundenpläne, Stundenpläne für Markus und mich: Levizeit, Arbeitszeit, Zeit für Freunde und Hobbys, Zeit zu zweit, Zeit Zeit Zeit. Auf dem Papier schien die Zeit unendlich und ließ sich perfekt in unterschiedlich große Kuchenstücke schneiden. Alles nur eine Frage der Organisation, machte ich mir selbst Mut. Aber Zeitmanagement war noch nie meine Stärke. Ich bin da eher der intuitive Typ. Und so scheiterten die Optimierungsversuche schon bald am Praxistest.
    Zum einen fehlten mir, die es gewohnt war, Geschäftsmodelle zu entwickeln und dann Mitarbeiter und Kunden bei der Umsetzung dieser Pläne zu coachen, in diesem speziellen Fall wichtige Mitarbeiter. Ich hatte nur eine Nanny, aber die war erst krank und entschied dann, der Liebe wegen München wieder zu verlassen. Außerdem war Levi kein Unternehmen wie mein Reiseveranstalter, meine Agentur für Dienstleistungsentwicklung oder auch mein Reisebuchladen in München. Er hatte rund um die Uhr geöffnet. Und er war ein Freigeist, so wie ich. Er war nicht bereit, sich an Zeitpläne zu halten. Er schlief, wenn ich nach Plan Levizeit hatte, und ich war enttäuscht. Er war wach, wenn ich nach Plan arbeiten wollte, was mich nervte. Schnell lernte ich zu akzeptieren, dass mit Levi das Unvorhergesehene die Regel ersetzt. Planabweichungen waren mit ihm tägliches Brot. Und auch mir machte ein Leben nach Stundenplan keinen Spaß. Hatte ich jahrelang fünfzehn Stunden am Tag und mehr gearbeitet – auch an Wochenenden – und mir berufliche Unabhängigkeit und persönlichen Freiraum erkämpft, nur um sie nun wegen meines Kindes wieder an den Nagel hängen zu müssen? Und wer genau wollte mich eigentlich dazu zwingen?
    Mit Kind wirst du ein Planungstalent, hatte mir eine befreundete, mit dem zweiten Kind schwangere Architektin bei einem Treffen auf einer Großbaustelle gesagt. Und es schien in Ordnung für sie zu sein, auf die Kaffeepausen zu verzichten, um ihr Arbeitspensum zu schaffen und trotzdem rechtzeitig ihre Tochter in der Kita abholen zu können, während sich ihr Mann auf architektonischer Großwildjagd in China verwirklichte.
    Für mich hingegen bedeuten exakt durchgeplante Tage – ohne oder mit Kind – Stress. Im Urlaub im Voraus eine Massage zu buchen stresst mich. Dann lieber keine Massage, wenn sie nicht spontan möglich ist. Daher bin ich für meine Urlaube und auch für die Kunden meines Reiseveranstalters immer auf der Suche nach kleinen Lodges und flexiblen Geschäftspartnern, für die die Ausnahmen der Regelfall sind. Bei denen es kein »Nein, das geht nun wirklich nicht« oder »Das hätten Sie doch bei Ihrer Anreise sagen können« gibt. Und genauso wollte ich jetzt mit Levi leben. Und vor allem: Ich wollte meinen Sohn nicht früher als nötig in einen Stundenplan hineinpressen. Mein Leben und unser gemeinsames Leben brauchten Freiraum. Und so landeten mit der Zeit die gesammelten Pläne im Papierkorb.
    Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum, hatte ich an der Universität bei meinem Professor für
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