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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul
Autoren: Skippy stirbt (Teil 1)
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verboten sind und jetzt mit solcher Dringlichkeit
wieder eingeschaltet werden, als hinge das Überleben ihrer Besitzer davon ab.
Von ihrer Nische in sicherer Höhe blickt die Gipsmadonna mit dem besternten
Heiligenschein und dem pfirsichgelben Teint kokett schmollend auf die außer
Rand und Band geratene Männlichkeit hinab.
    »Hey!,
Flubber!« Dennis Hoey hampelt dicht vor Howard vorbei, um William »Flubber«
Cooke abzufangen. »Hey!, ich wollte dich nur mal was fragen.«
    Flubber
ist sofort misstrauisch: »Was denn?«
    »Ach,
ich wollte bloß wissen, ob du ein kleiner Schwachkopf bist.«
    Mit
gerunzelter Stirn denkt Flubber - achtzig Kilo schwer und auf seiner zweiten
Ehrenrunde in der achten Klasse - darüber nach.
    »Da
ist kein Trick dabei oder so«, verspricht Dennis. »Ich will bloß wissen, ob du
ein kleiner Schwachkopf bist.«
    »Nein«,
erwidert Flubber, woraufhin Dennis abschwirrt und dabei »Er ist ein großer
Schwachkopf. Er ist ein großer Schwachkopf!« ruft. Flubber lässt einen Brüller
los und will ihm nachlaufen, bleibt aber abrupt stehen und taucht in der
entgegengesetzten Richtung ab, als die Menge sich teilt und eine hohe,
ausgemergelte Gestalt sich mit ausgreifenden Schritten nähert.
    Pater
Jerome Green: Französischlehrer, Koordinator der karitativen Aktivitäten von
Seabrook und die mit Abstand furchteinflößendste Persönlichkeit der Schule. Wo
er geht und steht, beansprucht er so viel Raum wie zwei oder drei Männer, als
hätte er stets ein unsichtbares Gefolge von mistgabelschwingenden Kobolden, die
jeden aufspießen, der gerade unreine Gedanken hegt. Im Vorbeigehen ringt sich
Howard ein schwaches Lächeln ab; der Pater mustert ihn dafür mit demselben
finsteren Blick wie jeden anderen auch, mit einem Ausdruck allzeit bereiter,
unpersönlicher Missbilligung, so geübt darin, den Menschen in die Seele zu
schauen und darin Sünde, Begierde und Unmoral wahrzunehmen, dass er es längst
so selbstverständlich tut, wie man ein Kästchen ankreuzt.
    Manchmal
hat Howard das deprimierende Gefühl, dass sich hier in den zehn Jahren seit
seinem Abschluss rein gar nichts verändert hat, und daran sind vor allem die
Patres schuld. Die Rüstigen sind rüstig, die Tatterigen tatterig wie eh und
je; Pater Green sammelt immer noch Lebensmittelkonserven für Afrika und terrorisiert
die Schüler, Pater Laughton hat immer noch Tränen in den Augen, wenn er seinen
desinteressierten Klassen die Werke Bachs vorstellt, Pater Foley hat für
verstörte Jugendliche nach wie vor nur den einen »väterlichen« Rat: mehr Rugby
zu spielen. An schlechten Tagen sieht Howard ihr Durchhaltevermögen als eine
Art persönlichen Vorwurf - als sei der fast zehn Jahre umfassende
Lebensabschnitt zwischen seiner Immatrikulation an der Universität und seiner
unrühmlichen Rückkehr an die Schule wegen seiner eigenen Unfähigkeit
rückgängig gemacht, aus den Akten gestrichen, als kompletter Blödsinn abgetan
worden.
    Das
ist natürlich pure Paranoia. Die Patres sind nicht unsterblich. Die Holy
Paraclete Fathers haben dasselbe Problem wie jeder andere katholische Orden:
Sie sterben aus. Nur wenige der Patres in Seabrook sind unter sechzig, und der
neueste Rekrut im Pastoralprogramm - einer aus einer stetig schwindenden Zahl
- ist ein junger Seminarist aus dem Umland von Kinshasa. Als der Schuldirektor,
Pater Desmond Furlong, Anfang September erkrankte, nahm zum ersten Mal in der
Geschichte Seabrooks ein Laie - der Wirtschaftslehrer Gregory L. Costigan - die
Zügel in die Hand.
    Howard
verlässt die holzgetäfelten Hallen des Altbaus, geht zum Neubau hinüber, steigt
die Treppe hinauf und öffnet wie immer mit einem leichten Schaudern die Tür mit
der Aufschrift »Lehrerzimmer«. Ein halbes Dutzend seiner Kollegen klagen sich
gegenseitig ihr Leid, korrigieren Hausarbeiten oder wechseln ihre
Nikotinpflaster. Ohne zu grüßen oder seine Anwesenheit anderweitig zu bekunden,
geht Howard an sein Fach und wirft ein paar Bücher und einen Stapel Kopien in
seine Aktentasche; um jeden Blickkontakt zu vermeiden, stiehlt er sich dann
seitwärts wieder aus dem Raum. Er poltert die Treppe wieder hinunter und geht
durch den jetzt leeren Korridor, den Blick fest auf den Ausgang geheftet - da
lässt eine junge weibliche Stimme ihn innehalten.
    Obwohl
die Glocke zum Ende der letzten Schulstunde schon vor gut fünf Minuten
geklingelt hat, ist im Geografiezimmer der Unterricht offenbar noch in vollem
Gang. Howard bückt sich leicht und späht durch
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