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Murats Traum

Murats Traum

Titel: Murats Traum
Autoren: Fabian Kaden
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eroberten ein paar von den einschlägigen Bars, die weniger schicken gefielen uns. Dort lebten wir billig, kriegten dauernd einen ausgegeben und verdienten manchmal sogar ein paar Scheinchen nebenbei. Zum Beispiel gab es Gerd. Gerd stand auf Fesseln, da ging ihm schon einer bei ab. Oder Tilo, der hauste in einer winzigen Erdgeschosswohnung, Hinterhof, zwei Straßen weiter. Die kostete ihn nichts, weil er dort den Hausmeister machte. Sein Hof blühte und duftete. Darauf war er stolz. «Frü her alles Beton», sagte er. «Hab ick mich selber hinjestellt, Kompressor, Stemmer, alles uffjebrochen. Container bestellt, die alte Erde gleich mit raus. Muttererde jeholt, und dann kamen meine Pflanzen. Und nu siehste ja.» Er lebte nur für seine Pflanzen und für Sex, schlief auf einer Matratze und hatte sonst kaum Möbel, dafür hing im Zimmer ein Sling. Er gab uns einen Fuffi, wenn wir ihn durchfickten, und schmierte hinterher Stullen, wenn wir Hunger hatten. Oder Volle-Kanne-Klaus. Mit dem war es schwierig, weil wir Skrupel hatten. Erst wollte er angepisst werden, weiter kein Problem, auch nicht, dass es unbedingt irgendwo draußen passieren musste, Unterführungen, Parkplä tze, je räudiger, desto besser für ihn. Aber hinterher ... Wir sollten uns richtig leer pissen und ihn hinterher zusammentreten und liegen lassen. Ich hatte immer Angst, ihn zu verletzen, und wusste nicht, wo ich hintreten sollte. Er krümmte sich zusammen. Wir traten ihm in den Bauch, gegen die Beine, den Arsch. Er bettelte, ihn volle Kanne ins Gesicht zu treten, aber das kriegte er von uns nicht, und vermutlich wusste er es am Ende zu schätzen, denn er wollte uns immer wieder sehen.
    Einmal sagte Murat: «Ich warte auf den Tag, wo uns einer den großen Blankoscheck gibt: Und jetzt macht mich kalt.»
    «Was für ’ne kranke Schei ße.»
    «Warte mal. Weiß ich gar nicht. Wenn er das will. Ich meine, wenn einer schon so weit ist, dass er wirklich weiß, was er will, das ist doch schon viel. Solange er keinem was tut. Ich meine, diese ganze kranke Scheiße ... Ich versuche, das zu respektieren. Respekt, verstehst du? Diese ganzen Typen kommen mir eher vor wie ein Kind, das du füttern sollst.» Er grinste.
    «Würdest du’s machen? »
    «Die Nummer mit Mister Blankoscheck? Keine Ahnung. Das sehn wir ja dann.»
    Dass er wir gesagt hatte! Wir waren aufgekratzt und müde. Wir gingen noch auf ein Bier irgendwo. Wir lachten. Wir waren unverwundbar. Wir waren unterwegs.
     
    Also, der Morgen nach Murats Geburtstag, in diesem dreistöckigen Einkaufcenter, wo wir uns als Kleindarsteller in die Liste einschrieben, dort hat es angefangen. Sie drehten irgendwas fürs Fernsehen. Dort sah ich Philipp zum ersten Mal.
    «Das steh ich nicht durch», stöhnte Murat. «Nicht heute. » Die Luft war trocken in dem fensterlosen Aufenthaltsraum, wo wir mit fünfzehn oder zwanzig andern auf unsern Einsatz warteten. Obwohl wir in dem Raum bleiben sollten, gingen Murat und ich raus auf die Mall, besetzten eine Bank in der Nähe der Absperrung, hinter der die Hauptdarstellerin völlig aufgelöst immer wieder gegen einen graumelierten Herrn zu rennen hatte. Das Center war erst vor kurzem mit großem Tamtam eröffnet worden, um unser Viertel aufzuwerten, wie es hieß. Nun schoben sich die dickärschigen Weiber mit und ohne Kopftuch glotzend durch die Gänge. Murat winselte gequ ält. Mir ging es nicht besser. Wir waren müde und hatten Hunger. Außerdem hatten wir für unsere Verhältnisse die ganze Nacht über reichlich getankt, und jeder, der das kennt, kennt auch die Geilheit am nächsten Tag.
    Der Aufnahmeleiter war in unserm Alter. Alle naselang äugte er zu unserer Bank rüber, und ich erkannte bald, dass es dabei nicht unbedingt um mich ging. Murat, der es gewohnt war, angeschmachtet zu werden, zeigte kein besonderes Interesse, meinte aber zu mir: «Pass auf, das Ding f ällt noch über ’n Kabel, wenn es so weitermacht.» Zu der branchenüblichen weiten Jeans trug der Junge ein weinrotes Poloshirt, das ziemlich teuer aussah und seine schmalen Hüften betonte. Er hatte blonde Haare, eine dieser komplizierten Nicht-Frisuren, und seine Haut war trocken und hell, keine Spur von Solarium. Er sauste herum, sprach ständig mit jedem und verschwand hierhin und dorthin ...
    Die Firma zahlte nach Stunden, also hielten wir durch bis zum Schluss. Ich holte uns von der Straße Döner und Bier, und weil wir anscheinend irgendwie zu den Filmleuten gehörten, ließ uns die Security
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