Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mundtot nodrm

Mundtot nodrm

Titel: Mundtot nodrm
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
feststellen konnte.« Boris trank.
    »Sie haben Bibelzitate benutzt?«, hakte der Psychiater nach. Man hatte ihn nur oberflächlich über den Fall informiert. Mehr Zeit war auch nicht geblieben.
    »Ich hab im November, als wir das Musical aufgeführt haben, einen Mantel meines Vaters genommen und ihn in die Garderobe der Stadthalle gehängt. Heimlich. Da war dann ein Kuvert drin mit dem Hinweis auf Barbarossa und das Streben nach der Weltherrschaft – mit zwei Bibelstellen. ›Wer Wind sät, wird Sturm ernten‹ und ›Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun‹.«
    Der Mediziner nickte interessiert. Er hatte einen intelligenten jungen Mann vor sich, stellte er fest. »Und was wollten Sie damit zum Ausdruck bringen?«
    Über Boris’ Gesicht huschte ein stolzes Lächeln. »Sie haben es wohl alle so aufgefasst, als ob ich Bleibach angreifen wollte. Vielleicht hab ich das falsch formuliert, aber mein Anliegen war es, die anderen anzuklagen. Seine Gegner – die Mächtigen, die Kapitalisten, verstehen Sie? Die säen Wind und werden Sturm ernten. Ihnen muss man vergeben, weil sie nicht wissen, was sie tun.«
    »Sie haben Ihre Gefühle mit Bibelzitaten zum Ausdruck bringen wollen?«
    »Ja, so könnte man dies ausdrücken.« Wieder deutete er ein Lächeln an. »Ich hab immer, wenn ich es für richtig hielt, Bibelzitate verschickt. In der Hoffnung, ich könnte mit Gottes Hilfe die Welt verändern.« Er sah den Mediziner mit großen Augen an: »Oder glauben Sie nicht, dass dies möglich wäre?«

158
     
    Als am frühen Abend eine erste Fassung des psychiatrischen Gutachters vorlag, holte Häberle tief Luft. »Ein wiefer Bursche«, konstatierte er, nachdem er es gelesen hatte. Den Kollegen, die den ganzen Sonntag Spuren auswerteten und den Kontakt zu den SEK-Einsatzkräften auf dem Kalten Feld hielten, hatte er von einem Pizza-Service reichlich Verpflegung bringen lassen. Seitdem zogen Düfte wie in einem italienischen Restaurant durch die Dienstzimmer.
    »Er hat beim Psychiater ein Geständnis abgelegt«, resümierte Häberle. »Boris Seifried hat seinen Vater und Andreas Ollerich erschossen. Den Vater, weil sich in ihm – um es laienhaft auszudrücken – so viel Frust und Zorn aufgestaut hatten, und den Ollerich, weil er in diesem letztlich den Anstifter für den Kampf gegen Bleibach vermutet hat. Womit er allerdings nicht ganz richtig gelegen sein dürfte. Die Waffe stammte tatsächlich von seinem Vater, der zwar seine Sportwaffen ordnungsgemäß aufbewahrt hat, nicht aber diese Beretta, die er illegal besaß und die nirgendwo registriert war.«
    »Wie ist er auf das Haus in Neu-Ulm aufmerksam geworden?«, wollte einer der Kriminalisten wissen.
    »Über die Daten aus dem Laptop. Sein freundschaftliches Verhältnis zu Lars Konarek – diesem Nahkampftrainer, der uns ziemlich viel Nerven gekostet hat –, hat dazu geführt, dass sich auch der eingemischt hat. Konarek war wohl in der Zeit, als ihn unsere Kollegen im Gelände gesucht haben, bei Andreas Ollerich. Das erklärt auch die seltsame Taxifahrt, bei der Konarek seine Spuren verwischen wollte.«
    »Und am Sonntagfrüh ist dann dieser Boris zu Andreas Ollerich und hat ihn kaltblütig abgeknallt?«
    »Ob kaltblütig oder nicht, das lassen wir mal dahingestellt«, war Häberle um Sachlichkeit bemüht. »Er ist jedenfalls dort hin. Wahrscheinlich kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung, während der Boris vielleicht erst so richtig erfahren hat, was am Hohenstaufen geplant war. Nach dem Mord an seinem Vater hat er sich wohl nicht getraut, selbst bei uns anzurufen, sondern hat es mit verstellter Stimme – als Ausländer – über Sander gemacht, zu dem er offenbar Vertrauen gewonnen hatte.« Häberle zuckte mit den Schultern. »Aber das mögen andere herausfinden. Psychiater, Psychologen und all die vielen schlauen Leute, die es bei Gericht in solchen Fällen gibt.«
    »Wie kommt’s, dass der Boris so religiös ist?«, wollte ein anderer Kollege wissen, nachdem Häberle zuvor schon die Bibelzitate erwähnt hatte.
    »Der Professor will sich dazu noch nicht abschließend äußern. Boris sei ein zutiefst sensibler Mensch, meint er.« Häberle biss ein großes Stück von seiner Pizzaschnitte ab und nahm sich Zeit, sich das Gelesene in Erinnerung zu rufen. »Solche Menschen sind für theologische Themen zugänglicher als andere. Möglicherweise habe der junge Mann darin Halt und Zuflucht gesucht – und dann habe sein innerer Affektstau in diese Richtung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher