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MUH!

MUH!

Titel: MUH!
Autoren: David Safier
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jämmerlich geweint, nicht aber so das weiße, denn es hatte tapfere Gefährten bei sich, die ihm Mut spendeten. Da war die Braungefleckte, der mittlerweile jegliche Farbe egal war und die aus dem Gemächt eines furchtbaren Stieres Eiersalat gemacht hatte. Da war die ehemals Eitle, die todesmutig die Herde vor dem Feuervogel gerettet hatte und nun so selbstlos war, dass sie sogar dem Kalb ihrer einstmals größten Feindin Milch gegeben hätte. Und es gab die stets Liebe, die den Höllenhund geplättet hatte und den Mut gefunden hatte, zu gestehen, dass sie paah-didel-dideli-dideli-dam ist.
    Natürlich waren auch die liebenden Eltern bei dem weißen Kalb. Der Stier, der sein Gedächtnis verloren hatte, aber seinen Charakter entdeckt. Und die Kuh, die das Glück gesucht hatte und es schon so gut wie gefunden hatte, obwohl dazu noch etwas fehlte, eine neue Heimat. Aber dorthin führte sie ja der fremdländische Kater, der einst stets vor der Gefahr weglief, sich aber dann entschloss, direkt auf sie zuzulaufen, um die Herde vor den schrecklichen Wesen namens Gourmets zu bewahren.
    Diese Gefährten, die das weiße Kalb begleiteten, waren in der Lage, alles zu tun: Sie konnten über das große Meer fahren, hoch über den Wolken fliegen und, wenn es denn unbedingt sein musste, auch auf Frösche pinkeln. Sie waren unschlagbar und würden das weiße Kalb über die Berge führen, so viel war gewiss!
    Eines Tages begegnete der Regenwurm dieser tapferen Herde und fragte: «Und wo ist in dieser Geschichte die Gotteskuh Naia?»
    Die Mutter des weißen Kalbes antwortete ihm: «Die ist für diese nicht vonnöten.»
    «Aber ich will mich beschweren», meckerte der Wurm, «dass das Wetter immer so unterschiedlich ist. Mal ist es heiß, mal ist es kalt, mal regnet es, mal scheint wieder zu stark die Sonne … ich meine, was soll das?»
    «Wer», unterbrach die Braungefleckte, «hat das Geschimpfe von diesem Wurm auch so satt?»
    «Er kann», so die Liebe, «leider gar nichts genießen.»
    «Immer nur am Meckern», bestätigte die ehemals Eitle.
    «Das», sprach der Stier, «liegt wohl an seinem merkwürdigen Liebesleben.»
    Die Kalbsmutter beugte sich mit ihrer Schnauze runter zu dem Wurm: «Du darfst nicht für alles bei Naia vorstellig werden.»
    «Wieso nicht?»
    «Weil jeder für sein Glück selbst verantwortlich ist.»
    Der Regenwurm war bass erstaunt: «Das hätte mir Naia auch mal sagen können!»
    Dann ringelte er schimpfend davon. Das weiße Kalb jedoch hatte seiner Mutter ganz aufmerksam zugehört. Damit hatte es schon als Kind etwas gelernt, wofür seine tapferen Beschützer ein halbes Leben lang gebraucht hatten, um es zu begreifen: Das Glück kommt zu denjenigen, die das Leben selbst in die Hufe nehmen.
    Diese neuen Legenden bedeuteten uns viel, denn sie handelten nicht von irgendwelchen übernatürlichen Wesen, sondern davon, wozu wir Kühe aus echtem Fleisch und Blut fähig waren. Dadurch verliehen sie uns den Mut, die dunklen Nächte durchzustehen.
    Dank dieser Geschichten schöpften wir sogar die Kraft, den Gipfel des Himalajas zu erklimmen. Ja, wir Kühe standen auf dem Dach der Welt!
    Zwar vor Eiseskälte zitternd, in dünnster Luft, dem Tode daher nahe, aber voller Stolz, denn keine Herde vor uns hatte je so etwas erreicht. Und Menschen wären nackt hier oben gewiss verendet.
    «Mann, sind wir gut!», meinte Radieschen, und ihr dünner Atem gefror dabei in der eisigen Luft zu Kristallen, die leise zu Boden rieselten.
    «Das tut schon weh, so gut sind wir!», bestätigte Hilde.
    «Aua, aua, aua!», ergänzte Champion.
    «Miaua!», fügte der Kater lachend hinzu.
    «Ich frier mir hier den Arsch ab», fand Susi, die das Meckern doch nicht ganz seinlassen konnte, weil sich nun mal niemand in Gänze ändert.
    Vom Gipfel stiegen wir hinab ins Tal. Mit jedem Schritt wurde es wärmer, immer, immer wärmer.
    Und dann … Indien.
    Endlich waren wir angekommen.
    Wir hatten die alten Götter hinter uns gelassen.
    Die Berge, den Schnee, die Kälte.
    Das Leid, die Trauer und die Gefahr.
    Und wir besaßen wieder Normalgewicht.

Kapitel 66
    Erst jetzt erkannte ich, dass ich mir nie eine richtige Vorstellung gemacht hatte, wie es in Indien überhaupt aussieht. Niemand von uns hatte auch nur die kleinste Idee davon, wie unser Paradies wohl sein mochte, mal abgesehen von seiner nicht ganz unbedeutenden Eigenheit, dass uns hier niemand grillen und uns zusammen mit einem traurigen Gürkchen zwischen zwei Brötchenhälften stecken
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