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MUH!

MUH!

Titel: MUH!
Autoren: David Safier
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mach dich fertig …», drohte er Old Dog, dann ging er ein paar Schritte und brach wieder zusammen.
    Old Dog verzog sein Gesicht zu einer lächelnden Grimasse. Mein Held konnte mich nicht retten. Niemand konnte es.
    Bei Radieschen flossen nun die Tränen. Damit ich nicht sofort mitheulte, blickte ich von allen weg und sagte leise zu Old Dog: «Bitte, lass uns nach draußen gehen.»
    Die Kleine sollte nicht Zeuge davon werden, wie ihre Mutter getötet wurde.
    Old Dog nickte knapp, und ich folgte ihm aus der Höhle in den wirbelnden Schnee heraus, ohne mich noch einmal umzublicken, denn mein Kalb sollte mich auch nicht weinen sehen. Hinter mir hörte ich das verzweifelte, klägliche Muhen der Kleinen. Bei Naia, ich hatte noch nicht mal die Zeit gehabt, ihr einen Namen zu geben! Draußen endlich weinte ich. Das letzte Mal in meinem Leben.

Kapitel 61
    Der Wind wirbelte mir den Schnee ins Gesicht. Es war wie in meinen Träumen. Old Dogs Schnauze war mit dem Blut des Yetis verschmiert. Genauso wie in meinen Träumen. Nur der Pfad, auf dem wir gingen, war etwas anders. Ich hörte meine Kleine in der Höhle noch kläglicher muhen und bat Old Dog, während mir selbst die Tränen die Schnauze runterliefen, ob wir uns ein Stück entfernen könnten. Die Kleine sollte nicht nur nicht sehen, wie ich gerissen wurde, sie sollte es auch nicht hören. Ohne auf meine Bitte direkt zu antworten, ging Old Dog voran, und ich folgte ihm durch den tiefen Schnee, ungefähr zweihundert Kuhlängen den Pfad hinauf, der immer schmaler wurde. Von Schritt zu Schritt wurde ich ruhiger, schicksalsergebener. Ich hörte auf zu weinen, trocknete mit der Zunge die Tränen auf meiner Schnauze und schmeckte dabei den klaren Schnee, der auf sie fiel. Nachdem wir um eine Ecke gebogen waren, kamen wir schließlich nach vielleicht zwanzig weiteren Kuhlängen zum Stehen. Es war genau die Stelle aus meinen Träumen. Rechts neben uns ragte das Gestein in die dunklen Wolken hoch, links lag der tiefe Abgrund. Wie im Traum konnte ich auch jetzt nicht erkennen, wie tief genau es herunterging, da der Schneesturm mir so stark ins Gesicht wirbelte. Nur die eingefrorene Blume am Wegrand war anders als in meinen Träumen, sie sah in echt noch viel, viel trauriger aus.
    «Warum willst du mich töten?», fragte ich Old Dog, während mir der Schnee ins Gesicht wehte. Ich fand, ich hatte endlich das Recht, es zu erfahren.
    Old Dog zögerte mit der Antwort, rang mit sich, irgendetwas in ihm wollte sein Herz, oder besser gesagt, das bisschen, was von seinem Herzen noch übrig war, ausschütten. So antwortete er schließlich: «Wegen Tinka …»
    «Deiner Pudeldame», erinnerte ich mich an seine große Liebe, die von dem Rattengift des Bauern gefressen hatte und daran gestorben war.
    «Sie war schwanger, als sie starb», gestand Old Dog.
    Das hatte ich nicht gewusst!
    Seine Stimme wurde jetzt sogar etwas brüchig: «An jenem Tag starb nicht nur sie, sondern auch mein Kind …» Der Hund war nun ganz in sich gekehrt, als ob er diesen schrecklichen Moment noch mal durchlebte, wie er es wohl immer und immer wieder tat, in jeder wachen Stunde und erst recht in seinen Albträumen in der Nacht, «… und mit den beiden starb mein Traum vom Glück.»
    «Deswegen wolltest du dir auch das Leben nehmen», begriff ich. Old Dog hatte ja danach selbst das Gift gefressen, an dem seine Tinka und das Ungeborene verendet waren.
    «Ich wollte zu ihnen.» Seine Stimme erstickte jetzt fast an seinem unterdrückten Schmerz. Niemals hätte ich gedacht, dass ich Mitgefühl mit Old Dog haben könnte. Ich würde zwar durch ihn sterben, aber ich wusste, dass Champion und mein Kalb überleben würden. Jedoch am Leben zu bleiben, wenn die eigene Familie gestorben war, ist ein noch schrecklicheres Schicksal als der Tod.
    «Die dunklen Hundegötter», erzählte der Hund, «erschienen mir. Sie ließen mich nicht sterben, denn sie haben eine solche Freude an meinem unendlichen Leiden.»
    Wenn es diese Hundegötter wirklich gab und Old Dog sie sich in seinem Wahnsinn nicht einbildete, dann konnten wir Kühe wirklich froh sein, dass wir nur Naia und Hurlo hatten. Die waren zwar nicht gerade die fähigsten Götter, aber immerhin ergötzten sie sich nicht an dem Leid ihrer Geschöpfe.
    «Tinka hatte sich immer eine Familie gewünscht», erzählte Old Dog weiter, ohne mich dabei auch nur anzuschauen, «seit dem Augenblick, in dem sie die zwei Eintagsfliegen gesehen hatte …»
    «Summ und Herum …», erinnerte
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