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MUH!

MUH!

Titel: MUH!
Autoren: David Safier
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nur verstört in dem Schneesturm.
    «LAUF!!!», schrie ich mit aller Kraft, die meine Lungen hergaben, so laut, dass der erste Schnee auf dem Felsen über mir sich löste und auf den Weg rieselte.
    Der Instinkt der Kleinen setzte ein: Dankenswerterweise lief sie nicht zu mir, um bei ihrer Mama Schutz zu suchen, sondern auf dem schmalen Weg nach unten, um die Felsenecke herum. Doch selbstverständlich würde auch dies ihr Verderben bedeuten, könnte so ein kleines Wesen doch niemals einem Höllenhund entkommen, er würde nur Sekunden brauchen, um sie einzuholen.
    Old Dog sprang mit einem Satz über mich, nahm die Jagd auf, da kam von der anderen Seite Radieschen um die Ecke gerannt und japste: «Tut mir leid, Lolle, ich hab die Kleine nicht aufhalten können …»
    Sie erblickte den Hund, der vor ihr abbremste. Mit einem Mal war sie mucksmäuschenstill, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was ein Mucksmäuschen überhaupt war.
    Hinter ihr lugten Hilde und Susi um die Ecke, wie auch der Kater, der bei Hilde zwischen den Hörnern hockte. Sie alle wagten es nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Champion aber war nicht bei meinen Freunden, vermutlich war er immer noch bewusstlos von dem Schlag, den der Yeti ihm verpasst hatte.
    Old Dog lachte mich beim Anblick meiner Herde an: «Deinen Freunden werde ich auch allen den Garaus machen. Dann wirst du sogar noch viel mehr verloren haben als ich!»
    Sein lautes Lachen ließ weiteren Schnee von den Gebirgsfelsen auf den Weg fallen.
    Langsam ging der Hund auf Radieschen zu, die ihm am nächsten stand. Vor lauter Angst begann sie wieder, durchgedreht zu plappern: «Ich habe da mal eine Frage …»
    «Was?», fragte Old Dog, bis aufs äußerste gereizt.
    «Was ist ein Garaus?»
    Old Dog konnte es nicht fassen.
    «Ist das was Ähnliches wie Daus?»
    Schaum trat vor den Mund des Hundes.
    «Hat es auch ein Ei?»
    Seine Augen blitzten vor Wahnsinn.
    «Heißt es dann Ei des Garaus? Oder Ei der Garaus?»
    Rasend vor Wut sprang er auf Radieschen zu und schrie dabei: «DU STIRBST ALS ERSTE!»
    Obwohl sein Schrei nicht ganz so laut war wie zuvor meine verzweifelte Warnung an mein Kind, reichte er aus, um den bereits gelockerten Schnee in dem Felsen über dem Weg endgültig zu lösen.
    «Attenzione, Lawine!», rief der Kater entsetzt.
    Unmengen von Schnee stürzten mit einem gewaltigen Lärm auf Old Dog ein.
    Und auf Radieschen.
    Und die Lawine riss beide in den Abgrund.

Kapitel 63
    «RADIESCHEN!», schrie ich, als die Lawine sich legte. Sie hatte den ganzen Weg zwischen mir und den anderen, die an der Ecke standen, meterhoch versperrt, sodass ich meine Freunde auf der anderen Seite gar nicht mehr sehen konnte.
    «Es iste, glaube ich, keine gute Idee», rief Giacomo von der anderen Seite zaghaft, «bei Lawinegefahre weiterzuschreie.»
    «Aber Radieschen …», klagte ich verzweifelt und versuchte, einen Blick in den tiefen Abgrund zu werfen. Doch in dem erkannte ich nichts, weil der Schneesturm darin weiterwirbelte. Vielleicht war es aber auch besser so: Ihre Leiche wäre ein unfassbar schrecklicher Anblick gewesen.
    «Ich lebe noch», hörten wir Radieschens Stimme.
    Mein Herz klopfte vor Aufregung.
    Sie hatte es geschafft.
    Mein Radieschen hatte es tatsächlich geschafft!
    Naia sei Dank!
    Ich war der Gotteskuh so dankbar, ich wollte mein Kalb nach ihr benennen.
    Doch da ächzte Radieschen: «Die Betonung liegt auf noch.»
    Ich trat an den Rand des meterhohen Schneeberges und erkannte, dass sie vielleicht vier Kuhlängen von mir entfernt am Felsen hing, genauer gesagt: Mit ihren Vorderbeinen, ihrem Kopf und dem Hals lag sie gerade noch so auf einem Vorsprung, während der Rest des Körpers frei in der Luft über dem Abgrund baumelte. Radieschen fehlte ganz offensichtlich die Kraft, sich hochzuhieven.
    Mein Herz zog sich zusammen, lange würde das nicht gutgehen, so viel war gewiss.
    «Old Dog», lächelte sie mir zu, «ist abgestürzt. Er wird dir nie wieder etwas tun.»
    Vor einigen Sekunden noch hätte ich mir nichts mehr gewünscht, aber jetzt war mir der Tod des Hundes völlig egal. Mein Radieschen war in Lebensgefahr, und ich musste sie retten. Doch wie? Selbst wenn ich es schaffen würde, ohne abzurutschen und in den Abgrund zu fallen zu ihr zu gelangen, wie sollte ich sie hochziehen? Wir Kühe besaßen dummerweise nur Hufe, keine Hände, mit denen man ineinandergreifen konnte. Und selbst mit Händen hätte ich ihr Gewicht wohl gar nicht auf den Weg hieven können, so kräftig war ich
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