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Muenchen - eine Stadt in Biographien

Muenchen - eine Stadt in Biographien

Titel: Muenchen - eine Stadt in Biographien
Autoren: Franziska Sperr
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blühendes Leben, nicht Gedeihen und Glück jedes Menschen, der darin lebte.«
    Und doch. Sophie, ihre Geschwister und die Freunde waren trotz der stärker werdenden Zweifel immer noch zuversichtliche und ausgelassene junge Leute. Sie hörten mehr oder weniger heimlich die sogenannte »Negermusik«, Jazz und Swing, tanzten Foxtrott und Tango und freuten sich am Leben. Noch waren sie unbekümmert genug, die dunkle Wolke der Bedenken, die an ihrem Horizont auftauchte, zu zerstreuen.
    Die Prioritäten hatten sich geändert, Sophie machte eine Ausbildung am evangelischen Kindergärtnerinnen-Seminar in Ulm. Sie war jetzt nicht mehr zu haben für Mutproben und Tests, um sich hart wie Kruppstahl zu trainieren. Sie wurde nachdenklicher und kritisch, sie und ihre Freunde blickten in eine Zukunft, die bedrohlich auf sie wirkte. Sie wurde dünnhäutig den Ungerechtigkeiten gegenüber, revoltierte innerlich gegen den Krieg und die Aussichtslosigkeit, die für sie immer mehr abzusehen war.
    Ortswechsel. 1942 schrieb sich Sophie Scholl für ein Studium der Biologie und Philosophie an der Universität in München ein. Der ältere Bruder Hans studierte hier bereits Medizin. Ein Traum wurde wahr für Sophie, in einer Wohnung mit dem bewunderten Bruder, endlich nicht mehr nur die Kleine, sondern ernst genommen als Studentin mit klugem Kopf und wachem, kritischem Geist. Aber der Traum war bald ausgeträumt, was die Geschwister in München um sich herum wahrnahmen, übertraf, was sie kannten. Die Universität war linientreu und hitlerhörig, am Königsplatz wurde vom bayerischen Kultusminister eine Bücherverbrennung inszeniert, deren Flammen mindestens so hell lodern sollten wie in Berlin, der Uni-Rektor, ein hoher SS -Führer, las über die Überlegenheit der arischen Rasse.
    Irgendwann fand Sophie auf dem Fensterbrett im Hörsaal ein Blatt Papier mit der Überschrift »Die Flugblätter der Weißen Rose«. Sie las und war elektrisiert. Als hätte man ihre Gedanken aufgeschrieben, sie fühlte sich verstanden und unterstützt. Schnell fand sie heraus, dass auch ihr Bruder Hans zu der studentischen Widerstandsgruppe gehörte, die diese Flugblätter herstellte. Hans Scholl wollte seine kleine Schwester aus der Sache heraushalten, nur hatte er nicht mit ihrem Eifer, ihrer Überzeugung und Hartnäckigkeit gerechnet.
    Bald war Sophie mittendrin, organisierte Papier, Matrizen und Druckerschwärze, bediente die Vervielfältigungsmaschine, reiste herum, um von Orten, die man mit ihnen nicht in Verbindung bringen würde, Kuverts mit Flugblättern zu verschicken. Dem ersten Flugblatt folgten fünf weitere verzweifelte Versuche, die Menschen aufzurütteln: »Ein jeder will sich von einer solchen Mitschuld freisprechen, ein jeder tut es und schläft dann wieder mit ruhigstem, bestem Gewissen. Aber er kann sich nicht freisprechen, ein jeder ist schuldig, schuldig, schuldig!«
    In der Gestapo-Leitstelle im Wittelsbacher Palais türmten sich die Stapel Flugblätter, die in der Stadt gefunden und abgeliefert worden waren. Die Herren in den schwarzen Mänteln wurden nervös. Noch hatten sie keine heiße Spur, wer der oder die Verfasser dieser staatsfeindlichen Schriften sein konnte.
    Am 18 . Februar 1943 legten die Geschwister Hans und Sophie Scholl die Blätter im Lichthof der Universität aus. Sie erreichten gegen 10.45  Uhr den Haupteingang. Sie trugen einen rotbraunen Koffer und eine Aktentasche, voll mit Abzügen des sechsten Flugblatts. Sie legten die Blätter in kleinen Stößen vor die Türen der Hörsäle, in denen noch Vorlesung war, die Studenten würden in der Pause darüber stolpern. Als die beiden bereits am Hinterausgang Amalienstraße waren, kehrten sie um und liefen in den ersten Stock, wo sie nochmals Flugblätter ablegten. Sophie rannte in den zweiten Stock und ließ den Rest der Flugblätter über die Brüstung in den Lichthof segeln. Der Hörsaaldiener beobachtete sie, nahm sie am Arm und hielt sie fest, bis die Gestapo eintraf.
    EIN GEMEINSAMES GRAB AM PERLACHER FORST
    Bei den getrennten Verhören nahmen sowohl Hans als auch Sophie alle Schuld auf sich, um die Freunde zu schützen. Vergeblich. So viel Mut, solch übermenschliche Kraft, den Demütigungen, dem Hohngeschrei und allen Versuchen der Einschüchterung des extra aus Berlin angereisten Vorsitzenden des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, äußerlich gefasst und würdevoll zu trotzen, war bei den grausamen Verhören der Gestapo in dieser Form noch nicht da gewesen. Die
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