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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei
Autoren: Raphael Zehnder
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zwischen sich und dem Flachbildschirm, wo die Köpfe aufgespiesst sind, steht Blackys Feuerzeug. Etwas grösser als ein Apfel, in Totenkopfform, Metall massiv, schwarz, aber glänzt. Die Augen sind rote Lämpchen, und wenn Blacky auf die Stelle oben am Schädel drückt, wo die Knochennähte zusammengewachsen sind, schiesst aus der Nasenhöhle die Flamme. Das macht er jetzt gerade, einfach so zum Spass.
    »Schmuck«, sagt der Müller und meint das Adjektiv.
    Aber Blacky mit Gedanken ganz in Hollywood: »›Easy Rider‹ … mein absoluter Lieblingsfilm, habe ich schon über zweihundertmal gesehen. Am liebsten sehe ich die Szene, wo sie das Dorf am Meer bombardieren, weil es vor der Küste draussen tolle Wellen gibt, und der Colonel will selbst surfen und sagt: ›Charlie don’t surf!‹.«
    Stundenlang könnte Blacky weitererzählen, die Filmkunst ist offensichtlich der Schlüssel zu seinem innersten Herzen, so was erfährst du erst bei einem Ortstermin, nicht im Verhörraum 419. Da bekommt der Ermittler Einblick in ein psychologisches Biotop, das hat schon zur Lösung von manch kniffligem Fall beigetragen. Blacky redet da drauflos, während der Steuerzahler den Bucher Manfred zahlt und die Kostenstelle Krankheit den Müller.
    Aber wir wollen die Gutmütigkeit des Steuerzahlers nicht überstrapazieren, deshalb fragt der Müller direkt auf den Punkt: »Kennst du den Fressbalken in Würenlos?« Eigentlich blöd formuliert, weil wer kennt ihn nicht.
    »Ja, sie haben ein neues Logo. Das macht jedes Management so: neues Logo und dann alles Gute über den Haufen werfen«, sagt Blacky. Kommentieren wir nicht.
    »Warst du in letzter Zeit da?«, fragt der Müller.
    »Ja, ich denke schon.«
    »Mit wem?« (Müller)
    »Mit der Kamera.«
    Und vom Müller einen gewagten Genitiv: »In wessen Begleitung?«
    »Wollt ihr die Fotos sehen?«, fragt Blacky und bremst aufs doppelte Nicken der Polizisten die DVD ab und winkt sie ins Nebenzimmer. Steht da doch der neueste Angebissene-Apfel-Computer, das glaubst du nicht, dass der wirklich da steht. Ein abgeranzter Altrocker, dem die Polizei einen Teil des Hirns … NUN HÖREN SIE MAL, GLAUBEN SIE DIESEN DRECK NUR NICHT … äh, nun, an dem die Zeit schon ziemlich genagt hat. Man hält ihn vielleicht-vermutlich-wahrscheinlich-garantiert für einen Sozialfall – und hat diese Digitalelektronik im home office! So kann man sich im Schein täuschen.
    Schaltet den Computer an und öffnet Fotoprogramm und Bilder. Zeigt erst einmal Fotos von Frauen, freizügig mit Haut und sommergerechter Garderobe, und dabei macht er »he he he«, und dann die Aufnahmen mit Chrom und Glänzen, blank polierte Maschinen, die kommentiert Blacky mit »ho ho ho«. Müller lässt sich nicht ablenken und sagt ergebnisorientiert: »Den Fressbalken, Blacky.« Und da sind dann die Fotos, von denen die Polizei gleich eine CD zieht. Die Festplatte wird konfisziert und kommt ins Asservatenkämmerlein, da führt kein Weg daran vorbei.
    Wie wir Blacky gerade fotografisch und technologisch kennengelernt haben, sind das keine unterbelichteten Schnappschüsse einer Billigkleinbildkamera, nein. Das ist, was der Müller und Bucher Manfred sehen: Parkplatz vor dem Fressbalken Würenlos, nachts, Autodächer, dazwischen, jetzt aus gutem Winkel: Paul Meierhans, der Wirt, leicht identifizierbar an den Wuschelhaaren und dem Hawaiihemd, im Gespräch mit drei Männern. Blacky klickt sich durch die Serie. Jetzt … dieses Foto … sehr gutes Licht, die Gesichter gestochen scharf, super Tiefenschärfe: Meierhans, zwei Unbekannte, kurzer Blickkontakt: Der Müller und Bucher kennen sie nicht, und … (kurzes Stirnrunzeln von Müller zu Bucher) … Wotan, der Kellner aus dem Sumatra … hinter den beiden anderen. Nächstes Bild: ein längliches, flaches Bündel, ein Umschlag? In der Hand des einen. Nächstes Foto: Meierhans steckt das Bündel in sein aufgeknöpftes Hemd. Einen Klick weiter: Händeschütteln. Die Gesichter gut erkennbar.
    Der Müller zu Blacky: »Gute Fotos!«
    Digitale materielle Beweise also. Auch da merkt man, wie sich das Anforderungsprofil des Polizeiberufs ändert. Digitale materielle Beweise, das gab es vor wenigen Jahren noch nicht. Da war schon das Fingerabdruckpulver Science-Fiction. Aber heute, diese Ausrüstung, die ganzen elektronischen und forensischen Apparaturen und Instrumente und Geräte – schon beeindruckend. Ich will nicht ins Detail gehen und mein Fachwissen bei mir behalten. Die Polizei braucht diesen
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