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Mueller, Carin

Mueller, Carin

Titel: Mueller, Carin
Autoren: High Heels und Hundekuchen
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zu gehen. Sie wollte versuchen, einen der heiß begehrten Studienplätze an der Mode-Akademie der britischen Metropole zu bekommen. Das war die Idee gewesen. Und zunächst war auch alles planmäßig verlaufen. Sie war bei der reichen griechischen Familie Kolidis untergekommen, und da die beiden Kinder Athina und Leandros fast den ganzen Tag in der Schule waren, hatte sie unter der Woche nicht viel zu tun gehabt. Bis zu dem Tag jedenfalls, an dem Papa Aristidis ein Auge auf sie geworfen hatte und ihr Aufgabengebiet signifikant erweiterte. Am Anfang ging das Versteckspiel noch gut. Mutter Xenia war mit ihrem Beauty-, Shopping- und Society-Programm derart ausgelastet, dass ihr die außerplanmäßigen Aktivitäten von Gatte und Au-pair-Mädchen ein ganzes Weilchen gar nicht auffielen. Doch dann wurde es scheußlich. Nach einer formidablen Schlammschlacht saß Xenia gut versorgt mit ihren Kindern in einer schicken Villa in Kensington – und aus der kleinen Kathi Fuchs aus Untergiesing war Katia Kolidis, dritte Ehefrau des fünfunddreißig Jahre älteren Aristidis, geworden.
    »Kathi, bist du das?«
    Ein schlanker Mann mit Stirnglatze und ungläubigem Gesichtsausdruck war gerade aus dem Restaurant herausgekommen. Er zündete sich eine Zigarette an und sah sie erwartungsvoll an. Katia kannte ihn nicht.
    »Du bist Katharina Fuchs!«, stellte er jetzt schon entschlossener fest. »Unglaublich, dass du zum Abi-Treffen kommst. Zu wem hast du denn noch Kontakt? Angemeldet hast du dich jedenfalls nicht, zumindest stehst du nicht auf der Teilnehmerliste.«
    »Zu niemandem. Es war reiner Zufall«, murmelte sie. »Habe im Internet eine Ankündigung entdeckt.«
    »Echt? Auf Facebook? Aber warum hast du dich denn bei niemandem gemeldet?«
    »Tja …« Gute Frage, doch Katia musste ihm und sich selbst eine schlüssige Antwort schuldig bleiben. Wer war dieser Typ bloß?
    »Jedenfalls bist du jetzt da, und das ist doch das Wichtigste.« Der Mann saugte einige gierige Züge an seiner Zigarette und trat sie dann aus. »Komm mit rein. Ich will alles von dir wissen! Wie geht’s dir? Was ist aus dir geworden? Du bist doch damals mit diesem griechischen Großreeder nach Paris durchgebrannt? So war’s doch, oder? Ich erinnere mich, dass das ein Riesenskandal war. Stand sogar in der Zeitung.«
    Nach so langer Zeit war die Gerüchteküche also immer noch am Brodeln, unfassbar. »Aris ist in der Energiebranche tätig«, erwiderte sie kühl, »wir sind seit vierzehn Jahren verheiratet und leben die meiste Zeit in London. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
    »Ich bin’s doch, der Stefan! Stefan Schreiber. Erinnerst du dich nicht mehr?« Er klang eine Spur gekränkt. Doch ehe sie darauf reagieren konnte, öffnete er die Tür zum Valentins-Saal und rief in die Runde: »Schaut mal, wen ich draußen gefunden habe!«
    Stefan Schreiber?? Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Katia nahm zunächst kaum wahr, für welche Reaktionen sie im Raum sorgte. Stefan Schreiber, das war exakt die vorletzte Person, auf die sie an diesem Abend Wert legte. Sie war sechzehn gewesen und er ihre erste große Liebe. Genauer gesagt hätte er es werden sollen, wenn nicht … Doch daran wollte sie im Augenblick gar nicht denken. Sie schlüpfte aus ihrem Mantel und warf das edle Stück nachlässig über eine Stuhllehne. Jetzt, wo sie schon mal da war, konnte sie genauso gut auch Spaß haben. Ihre Nervosität war verflogen, denn auf Gesellschaften aller Art fühlte sie sich wie zuhause. Und schlimmer als der jährliche Diplomatenball der griechischen Botschaft konnte das Klassentreffen ja wohl kaum werden. Sie setzte ihr strahlendstes Lächeln auf und sah sich um. Von den gut hundertzwanzig Abiturienten waren an die achtzig zum fünfzehnjährigen Jubiläum erschienen. Und die standen oder saßen nun in Grüppchen herum und schwelgten in alten Zeiten. Einige starrten sie neugierig an. Zu Recht, dachte Katia zufrieden. Sie trug ein dunkelgrün gemustertes, knielanges Seidenjerseykleid, das ihre langen roten Haare leuchten ließ und ihre Kurven perfekt in Szene setzte. Ein auffälliges Smaragd-Collier auf dem makellos milchweißen Dekolleté sorgte für den nötigen Glamour. Sind die alle alt geworden, befand sie eine Spur boshaft, als sie etliche graue Schläfen und Krähenfüße entdeckte. Dankbar dachte sie an Federico und Dr. Gilbert, die bei ihr selbst für ein konstantes tizianrotes Leuchten auf dem Kopf und einen botoxglatten Porzellan-Teint sorgten.
    »Du siehst
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