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Mrs. Pollifax macht Urlaub

Mrs. Pollifax macht Urlaub

Titel: Mrs. Pollifax macht Urlaub
Autoren: Dorothy Gilman
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Sie?«
»Mrs. Pollifax.«
»So ein ungewöhnlicher Name! Pollifax?« Als sie nickte, fuhr er fort: »Gehören Sie vielleicht zu dieser Touristengruppe?« Er deutete auf die lauten Amerikaner, die einander immer wieder über die Sitze hinweg zuriefen. »Nein? Wie mutig amerikanische Frauen sind - und so frei! Dann haben Sie Freunde in Amman?«
»Nein.« Mrs. Pollifax wünschte, er würde sich endlich in sein Wall Street Journal vertiefen, damit sie sich mit dem Reiseführer beschäftigen könnte, den Farrell ihr geliehen hatte.
    »Dann gestatten Sie mir, Ihnen einen Rat zu geben«, sagte er bestimmt. »Sie müssen vor allem Petra besuchen, unsere berühmte rosenrote Stadt, die vor langer, langer Zeit aus den Felsen gehauen wurde.« Er langte unter den Sitz nach seinem Aktenkoffer. »Ich muß Ihnen zeigen, was ich in meinem Atelier in Amsterdam herstelle. Nicht nur das große Schatzhaus des Pharao Chasna, auch das Urnengrab befindet sich in Petra, und das hier ist eine Abbildung davon.«
    Was er ihr entgegenstreckte, erschien Mrs. Pollifax auf den ersten Blick als ein billiges und amateurhaftes Rechteck aus dickem Sperrholz mit einem Etikett, das dem Betrachter auf arabisch und englisch verkündete: »Urnengrab. Petra. Nabatäisch. Kopie von Hassur Aid.«
    »Drehen Sie es um!« tadelte er.
»Oh, tut mir leid.« Die andere Seite überraschte sie angenehm. Auf der hölzernen Platte war eine dreidimensionale Schnitzerei aus weißem Stein oder Gips befestigt. Sie stellte einen riesigen Felsen dar, dessen Furchen und Vorsprünge der Künstler naturgetreu modelliert hatte. In der Mitte der Felswand befand sich ein Eingang, bewacht von zwei hohen Säulen, die über einen Säulengang mit einer Reihe bogenförmiger Öffnungen hinausragten.
»Reinweißer Kalkstein, handgeschliffen und -geschnitzt«, betonte Mr. Nayef und lehnte sich zu ihr herüber. »Möchten Sie es haben? In Jordanien würde es sechzig Dinar kosten, das sind fast einhundert U.S. Dollar. Ich gebe es Ihnen für die Hälfte.«
»Na, Sie sind mir ein Verkäufer!« Sie lächelte. »Danke, aber meine Reisetasche ist schon so voll genug. Ich freue mich jedenfalls darauf, mir Petra anzusehen - und das Urnengrab.«
»Ihnen wird auch Amman gefallen.« Er legte die Schnitzerei beiseite. »Die Stadt ist auf sieben Hügeln erbaut, wußten Sie das? Wie Rom?« Er wartete gar nicht auf eine Antwort. »Ein sehr kleines Land, unser Jordanien«, fuhr er fort, »der größte Teil Wüste. Es gibt leider noch viel zu viele Flüchtlingslager; die Beduinen halten zum König, der trotz zu vieler Kriege überlebt hat; Schulbildung ist kostenlos und das Jordantal grün und fruchtbar.. .«
Als der Servierwagen den Gang entlanggeschoben wurde, hoffte Mrs. Pollifax, er würde endlich still sein, aber selbst während sie Seite an Seite ihr Abendessen einnahmen, redete er unentwegt weiter: vom Zustrom der Palästinenser, einige sehr reich, andere so arm, daß sie in Flüchtlingslagern leben mußten. Scherzhaft bestand er darauf, daß sie As salam alaikum richtig auszusprechen lernte, was soviel bedeutete wie »Friede sei mit dir«. Und dann mußte sie den Gegengruß Alaikum as salam lernen, und als sie das konnte, sagte er strahlend: »Taib! Taib! Das bedeutet ›gut‹.«
An diesem Punkt beendete Mrs. Pollifax die Unterhaltung. »Ich muß meine Zähne putzen«, erklärte sie. Sie holte aus ihrer Reisetasche Zahnbürste, Zahnpasta, Waschlappen und Feuchtigkeitscreme heraus und ging. Als sie zurückkehrte, trug Mr. Nayef Kopfhörer und war völlig in den Film vertieft. Nach einem flüchtigen Lächeln bei ihrer Rückkehr wandte er sich sofort wieder der Leinwand zu. Mrs. Pollifax schloß die Augen und tat, als schliefe sie. So versäumte sie zwar den Film, aber sie war entschlossen, sich keine weiteren Lektionen anzuhören. Schließlich schlief Mr. Nayef ein. Mrs. Pollifax döste dann und wann, und wenn sie wach war, las sie in einer Zeitschrift.
Bald stellte sie fest, daß sie sich in Mr. Nayef getäuscht hatte: Er war kaum eingeschlafen, als sein Kopf immer tiefer sank und schließlich auf ihrer Schulter zu ruhe n kam. Während einer seiner nächtlichen Runden grinste Farrell sie an und sagte: »Männer mögen Ihre Schulter!« Später brachte er ihr noch eine Zeitschrift. Als der Himmel allmählich hell wurde, gab es Frühstück, und danach begann die Landung in Amsterdam. Mr. Nayef erwachte. Er griff nach seinem Mantel und seinem Aktenkoffer. »Ah, Amsterdam, endlich!« Dann wandte er sich
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