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Mount Maroon

Mount Maroon

Titel: Mount Maroon
Autoren: Ethan Bayce
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Bekannter. Seinen Erinnerungen fehlte das Persönliche, vor allem deshalb, weil er selbst darin fehlte.
    Von irgendwoher klopfte es. Die junge Frau sah auf, über ihn hinweg zu der Wand in seinem Rücken. Ein Klacken war zu hören, dann eine Stimme.
    - „Ann, könnten sie mir kurz helfen.“
    Die Frau erhob sich und ging um das Bett herum. Eine Tür wurde geschlossen. Er war allein. Ein schwaches Signal durchquerte seinen Kopf, mehr ein Anflug. Es war das unbestimmte Gefühl, von der Welt vernachlässigt zu werden. Die Schöne hatte ihn keines Blickes gewürdigt, als sie das Zimmer verließ, und wo immer er auch war, mit ihr allein war er jedenfalls nicht. Sie beide, sie und er, waren Bestandteile eines größeren Systems, das offenbar weitere Personen umfasste, eine reglementierte Ordnung hatte und funktionale Abläufe aufwies. Sicher bildeten auch kurze und längere Liebesbeziehungen gewisse Regeln aus, aber das hier war etwas anderes.
    Es war nicht leicht sich aufzurichten. Er fühlte sich steif. Außerdem bemerkte er jetzt, dass er an einige Schläuche angeschlossen war. Er war zweifellos in einem Krankenhaus. Aber warum? Die flüchtige Inspektion seines Körpers ergab keine unangenehmen Überraschungen: Arme, Beine, Finger und Zehen waren vollständig und schmerzten nicht, Narben waren – zumindest an der Vorderseite – nicht auszumachen. Rechts neben dem Bett stand ein fahrbarer Nachttisch, auf dem hinter einem Fläschchen mit einer undefinierbaren Flüssigkeit und einer Puderdose ein Handspiegel lag. Peter griff danach. Als Erstes sieht man sich immer in die Augen, dachte er. Sie waren groß und dunkel, melancholisch, umrandet von dichten schwarzen Wimpern. Das Gesicht hob sich vom Weiß des Kopfkissens ab, war sonnengebräunt, vielleicht ein bisschen gerötet. Hatte er einen Sonnenbrand? Dann sah er etwas Seltenes. Er trug einen Dreitagebart. Dennoch, der erste Eindruck war zufriedenstellend, er sah besser aus als befürchtet, jedenfalls nicht ernsthaft krank. Dann folgte ein anderer Gedanke, eine Ebene darunter angesiedelt, tiefgründiger, besorgniserregend. Hoffentlich hatte er keine schlimme Krankheit, die den Körper von innen heraus aufzehrte. Wieso konnte er sich an rein gar nichts erinnern?
    Die Tür öffnete sich. Über Anns Gesicht fuhr ein kurzer Schreck, dann ein Lächeln. Es war ein mütterliches Lächeln, was Peter enttäuschte. Diese Frau war einfach zu schön, um in einem Mann nicht den Wunsch aufsteigen zu lassen, auch nur einen Moment lang von ihr so angesehen zu werden, wie eine Geliebte einen ansah. Zumindest gab die erotisch-emotionale Distanz zwischen ihnen Peter die Gewissheit, Ellen nicht betrogen zu haben.
    Nur wenig später standen schätzungsweise ein Dutzend Ärzte an seinem Bett, wovon nur zwei Frauen waren. Es fiel Peter in diesem Moment nicht weiter auf, aber wenn in so kurzer Zeit das komplette Ärzteteam zusammengetrommelt wird, kann es sich kaum um einen harmlosen Routinefall handeln. Ein grau melierter, groß gewachsener, schätzungsweise 55-jähriger Mann mit gepflegtem Gesicht und stark ausgeprägten schwarzen Brauen stand genau in der Mitte. Er stellte sich als Dr. Jenkins vor, während die anderen namenlos blieben. Deren Blicke wechselten in schnellem Rhythmus zwischen ihm und dem im Bett liegenden Patienten. Die Rollen waren verteilt.
    - „Wie geht es Ihnen?“
    Der Chefarzt lächelte eine Spur zu sanftmütig.
    - „Sagen Sie es mir“, forderte ihn Peter auf.
    Das Alphatier zögerte kurz, nachdem sein Gegenüber den Ball ansatzlos zurückgespielt hatte.
    - „Nun, Sie haben drei Tage im Koma verbracht. Dafür geht es Ihnen erstaunlich gut. Ihre Werte sind stabil und Ihre Wunden sind gut verheilt.“
    - „Meine Wunden?“
    - „Ja, Ihre Brandwunden, leichte Verbrennungen …“
    Peters Unverständnis spiegelte sich in seiner Mimik.
    - „… nach dem Unfall. Sie hatten einen Autounfall. Erinnern Sie sich nicht?“
    Jenkins wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er zeigte die Zähne, strahlend weiß, makellos, als habe er niemals harte, scharfkantige oder zuckerhaltige Nahrung zu sich genommen.
    - „Nein, Sie haben recht. Ich erinnere mich in der Tat nicht daran. Haben Sie meine Frau informiert? Ist sie hier?“
    - „Wir wissen bisher nicht einmal, wie Sie heißen. Ihre Sachen sind verbrannt. Sie hatten einen Wanderrucksack bei sich, erzählte der Mann, der Sie in seinem Auto mitgenommen hat. Sie sind getrampt.“
    Der Arzt fragte nicht nach seinem Namen.
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