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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis
Autoren: Michael Marrak
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Mund, glitt durch meinen Schlund hinab und fraß sich tief in meine Eingeweide.
    Ich wusste, was es war, bevor alles um mich herum in Finsternis versank.
    Ich kannte den Namen der Schlange …

 

     
     
    Stundenlang hing Ka zwischen blank gefressenen Skeletten, der Gewalt des Orkans ausgeliefert. Sein Zustand wechselte zwischen Ohnmacht und schmerzvollem Erwachen. Irgendwann nahm er die unbarmherzig in sein Fleisch drückenden Kettenglieder kaum noch wahr. Seine Hände und Arme waren taub geworden, das Blut aus seiner Brustwunde hatte aufgehört, über seinen Körper zu strömen, und schließlich legte sich auch der Sturm.
    Ein purpurroter Schmetterling schwebte vor Ka, flatterte näher, landete auf seiner Schulter und begann augenblicklich, mit winzigen, messerscharfen Zangen ein Stückchen Fleisch herauszuschneiden. Ein zweiter und dritter Falter gesellten sich hinzu, und schon bald wurde aus dem unangenehmen Stechen ein brennender Schmerz.
    Ka legte den Kopf in den Nacken und erblickte eine kreisende, funkelnde, rote Wolke aus hauchzarten Flügeln, die sich – angelockt vom Geruch des Blutes – langsam auf den Sendemast niedersenkte. Es dauerte nicht lange, bis die Schmetterlinge ihn umhüllt hatten. Ka fühlte Hunderte von Bissen, bald Tausende. Er schrie in unvorstellbarer Pein, ohne seinen Mund zu öffnen, blind vor lauter Purpur-Flügeln auf seinem Gesicht, spürte, wie sich die Insekten langsam durch seine zusammengepressten Lider fraßen und die Augen erreichten. Ka zuckte und wand sich, begann zu strampeln, versuchte, die Ketten zu sprengen, trat mit den Beinen aus – vergebens. Myriaden von Schmetterlingen umschwärmten den Mast, pickten an Kas Fleisch, fraßen sich tiefer und tiefer, zehrten ihn auf, ließen Ka eins werden mit dem Plan der Maschine. Sein Schmerz düngte die Felder, überzog den gesamten Planeten, metallroter Blut-Rosensaft auf blauem Taumetall, der in zartes, hauchdünnes Rotgespinst einzufließen begann. Er tastete, verharrte, suchte in all den Unwirklichkeiten nach Licht, fand es, hielt es fest in seinem Bann.
    Gott, der Schmerz …
    »Seht her, ihr Erzenen!«, schrie Ka schließlich gegen den erdrückenden Schwarm der Schmetterlinge an. »Seht her, ich bin gewaltiger als der Schmerz, allumfassend, allwissend, allmächtig! Es wird enden, hier und heute! Ihr seelenlosen Söhne des Schöpfers, kommt herbei, ihr Kinder der Lüge. Ihr habt die Wahrheit geschlachtet. Ich habe mich von ihr freigemacht und bin hinabgestiegen. Hier wird es enden! Hier …«
    Der Schmerz wich dumpfer Taubheit, alle Geräusche um ihn herum verblassten. Ka hatte das Gefühl, zu schweben, schneller und schneller, dem Licht entgegen, das durch die Finsternis auf ihn zuraste …
    Ihr Tiere der Felder, kommt alle herbei und fresst, schrie er in Gedanken, als das Geräusch der über den Asphalt radierenden Reifen erklang. Die Wächter des Gartens sind blind, stumme Hunde ohne Maul. Hört ihr, gottverfluchte Engel, Gott ist gefallen …
    Hört ihr, Engel aus Eisen?
    Hört ihr, Erzene?
    Hört ihr …?
    Dann traf ihn ein ungeheurer Schlag und schleuderte ihn davon, ins Nichts.
    »Ja, ich höre dich«, drang aus der lange lastenden Stille eine Frauenstimme an sein Gehör. »Und ich fühle deinen Schmerz. Öffne die Augen, jetzt.«
    Ich habe keine Augen mehr …
    »Offne sie!«

 

     
     
    Es war kalt …
    Ich fror erbärmlich, meine Zähne klapperten. Im ersten Moment war ich überzeugt davon, noch immer am Sendemast zu hängen, gehäutet und mit bloß liegenden Nervensträngen dem eisigen Wind ausgeliefert, der über die Felder pfiff. Dann merkte ich, dass ich auf dem Rücken lag.
    Lichtblitze zuckten vor meinen geschlossenen Lidern, der Boden unter mir erbebte in gleichmäßigen Intervallen. Meine Zunge war völlig taub, sämtliche Gesichtsmuskeln erschlafft. Das Aufeinenderklappern meiner Zähne war eine Folge der Bodenerschütterungen.
    Ich schloss langsam den Mund, worauf die Lippen sofort verklebten. Nur mit Mühe schaffte ich es, sie wieder voneinander zu lösen. Ich wurde fortbewegt, so viel war sicher. Irgendjemand karrte mich auf irgendetwas, das Räder besaß, irgendwohin. Das war alles, was ich in der ersten Konfusion wahrnahm. Ob es eine fahrbare Krankenliege, die Ladefläche eines Autos oder nur ein Tapeziertisch mit Rollen war, wusste ich nicht. Ich wollte die Augen öffnen und stellte fest, dass sie bereits die ganze Zeit offen gewesen waren. Ich musste nur die Pupillen nach unten drehen …
    Ich
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