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Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Titel: Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)
Autoren: Jennifer Wolf
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beim nächsten Abendessen von mir.«
    »Das werde ich.«
    Jesiens Eule fliegt auf seine Schultern. Sowa weiß, dass er sie jetzt braucht.
    »Lebwohl, Maya«, sagt sie. »Ich werde dich und unsere gemeinsamen Abende vermissen.«
    Ich nicke, unfähig zu sprechen. Gaias Hand legt sich in meine und als die Herbstwelt vor meinen Augen verschwindet und Jesiens Antlitz verblasst, kann keine göttliche Macht der Welt mich mehr beruhigen. Helles Licht umgibt mich, doch nichts von dem, was Jesien mir erzählt hat, tritt ein. Im Gegenteil. Ich schreie vor Schmerzen. Meine Haut zerreißt und meine Knochen brechen. Panisch sehe ich mich nach Gaia um, doch ich sehe sie nicht mehr. Kommt nun meine Strafe für meine Flucht mit Nevis? Wird sie meine Seele nicht in ihren Garten bringen, sondern mich für immer verdammen? Doch es bleibt kaum Zeit, darüber nachzudenken, denn die Schmerzen rauben mir den letzten Nerv, bis ich schließlich auf meine Füße falle. Der Untergrund ist weich … und ich habe … vier Füße? Pfoten!
    »Tut mir leid«, höre ich die Göttin sagen und ich sehe … hoch. Wieso ist Gaia plötzlich so groß? Ich musste immer zur Göttin hinuntersehen.
    »Es war eine Mutter, die hatte vier Kinder«, beginnt sie zu singen und läuft durch den Schnee an mir vorbei. Schnee? »Den Frühling, den Sommer, den Herbst und … den Winter.«
    Wir stehen vor Nevis‘ Hütte! Ich will loslaufen, doch ich falle hin.
    »An die vier Beine wirst du dich gewöhnen«, sagt die Göttin mit einem glockenhellen Lachen. Die Kälte des Schnees dringt durch mein Fell und ich beginne zu verstehen, dass ich in einem anderen Körper stecke. Ich sehe an mir herunter. Ich … ich bin ein Wolf.
    »Nevis braucht einen neuen Tiergeist«, sagt die Mutter aller Dinge, als sie meinen Blick auffängt. Das ohnehin schon rasante Tempo meines Herzens erhöht sich noch einmal um das Doppelte.
    »Wirklich?«, frage ich und es ist merkwürdig, die Worte durch diesen fremden Mund herauszubringen. Es dauert, bis ich begriffen habe, dass ich es mehr mit meinem Geist geformt habe, als mit Gaumen, Zunge und Kiefer.
    »Halte mich nicht für herzlos, Maya«, sagt die Göttin. »Ich habe damals so sehr mit Jesien gelitten und es zutiefst bereut, seine Liebe in meinen Seelengarten geführt zu haben. Sie wird in dreihundert Jahren die Auserwählte. Bis dahin hat sich ihre kostbare Seele regeneriert.« Gaia grinst und ihre Regenbogenaugen blitzen auf. »Ich bin schon gespannt, ob er sie erkennt.«
    Ich bin vollkommen sprachlos.
    »Du warst von Anfang an für Nevis gedacht, aber nicht mal ich kann das Schicksal lenken. Weißt du, Maya, ich kann nicht bestimmen, welche Menschen geboren werden. Eine Partnerin für einen meiner Söhne zu finden ist schwer und jede Seele ist einzigartig. Dass zwei so gut zueinanderpassen ist sehr rar und als ich dich ansah, war ich von Freude erfüllt, denn ich konnte meinen Wintersohn in dir lesen.« Gaia wirkt traurig und besorgt. »Nevis‘ unsterbliche Seele liegt in einem tiefen Koma. Erst wollte ich auch deine Seele regenerieren, aber ich befürchte, dass er nicht mehrere hundert Jahre ohne dich sein kann. Er ist mein Jüngster und auf ewig mein Nesthäkchen.« Sie lächelt wieder. »Sei gut zu ihm, Maya.«
    »Das verspreche ich«, antworte ich hastig und betrachte das weiße Fell an meinen Beinen.
    »Komm«, sagt die Göttin unverhofft. »Ich will sein Gesicht sehen.«
    Wir finden ihn im Haus. Er sitzt auf der Fensterbank und starrt hinaus.
    »Was willst du Mutter?«, haucht er so leise und krächzend, dass mein Herz sich zusammenzieht. Wie sehr habe ich mich die letzten Jahrzehnte danach gesehnt, seine Stimme zu hören.
    »Ich habe dir jemanden mitgebracht.«
    Nevis‘ Kopf fährt herum und seine Eisaugen blicken mir sofort bis tief in die Seele. Er erkennt mich. Ungläubig rutscht er von der Fensterbank und seine Augen weiten sich.
    »Maya?«, fragt er und seine Stimme bricht dabei.
    »Ja«, höre ich die Göttin gerade noch sagen, bevor ich in Nevis‘ Arme gezogen werde. Er zerdrückt mich fast und ich finde es frustrierend, ihn nicht ebenfalls umarmen zu können, aber ich konzentriere mich auf seinen Herzschlag, den ich an meiner Flanke pochen spüre. Ich schließe meine Augen, als sein Duft mich wie ein Tritt in den Magen trifft. Göttin, ich hatte vergessen, wie gut er riecht. Nevis löst sich von mir, um seine Hände um meinen Kopf zu legen. Wässrige Augen suchen mein Gesicht ab.
    »Du hast ihr ihre Augen gelassen«,
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